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87 Schüler_innen auf ihrem Weg von der spontanen zur epistemologischen
Neugier anleiten und begleiten. Die Neugier würde in einem solchen Prozess
als Methode dienen, um anhand des Generativen im Lernkontext den eigenen
Bezug zur Welt Stück für Stück zu erforschen und zu hinterfragen. Das
bewusste, auf den konkreten Gruppenkontext bezogene Recherchieren und
Erforschen der Dinge, Themen, Geschichten und Lerninhalte, die das Leben
der Schüler_innen ausmachen, wäre der Ausgangspunkt eines gemeinsamen
Erkenntnisweges. Im Dialog würden die Schüler_innen auf die unterschied-
lichen Sichtweisen stoßen, mit denen die generativen Themen betrachtet
werden können. Diese Reibungsflächen, Selbst- und Differenzerfahrungen
müssten im theoretischen Kontext, beispielsweise im Schulunterricht, ver-
handelt werden.
„Die dialogische Erfahrung ist grundlegend für die Entwicklung einer
epistemologischen Neugier. Konstitutiv dafür sind: die dem Dialog
implizierte kritische Haltung und das Anliegen, den Grund der Dinge
zu erfassen, welche von den dialogischen Subjekten verhandelt wer-
den.“ (Freire 2007: 95)
Die Verantwortung dafür, dass eine solche Haltung von allen Beteiligten
eingenommen werden kann, läge zu großen Teilen bei jenen, die den Grup-
penprozess organisieren: den Lehrer_innen. Ihre zentrale Herausforderung in
dem Prozess würde darin bestehen, vermittelnd — nicht eingreifend — zu
agieren, dafür zu sorgen, dass die Grundregeln für einen gemeinsamen Dialog
eingehalten werden. Mit dieser „utopistischen“ Idee wird vorgeschlagen,
einen Schritt weg von den vielerorts geforderten Bildungsstandards zu tun,
hin zum Generativen der Schüler_innen, wie es mancherorts in forschenden
Lernprojekten außerhalb des Regelunterrichts realisiert werden kann. An
einem dieser Projekte konnte ich durch meine Zusammenarbeit mit Martin
Jäggle mitwirken.14 Den Kern dieses Projekts mit dem Titel „Forschen wir
gemeinsam“ beschreibt Martin Jäggle mit den Worten:
„Die jungen Menschen stehen im Mittelpunkt, erforschen ihre Umwelt
und setzen sich mit Themen wie Diversität, Anerkennung und Miss-
achtung von Rechten auseinander — es geht um sie ganz persönlich,
um ihr ganzes Menschsein, mit all dem, was sie mitbringen.“
(2014: 32)
In meiner utopistischen Vorstellung von Bildung sind Schüler_innen auch im
Regelunterricht forschend tätig. Es könnten Bildungsprozesse angeregt wer-
den, die von Neugier geleitet an jenem Ort beginnen, den die Schüler_innen
bewohnen und der durch den Bildungsprozess erst sichtbar gemacht wird.
Die generativen Themen der Schüler_innen würden die Dimensionen eines
solchen generativen Bildungsraumes bestimmen.
14 Siehe auch Jäggle et al. 2013 und www.forschenwirgemeinsam.at
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien