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Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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99 3.1 DAS GENERATIVE BEI PAULO FREIRE Das Generative wird hier anhand des Zusammenhangs von Methode und Bildung herausgearbeitet. Dafür erläutere ich den Kontext von Freires Alpha- betisierungskampagnen in Brasilien und die Rezeption seines Bildungsver- ständnisses, der conscientizacão. Anschließend beschreibe ich seine konkrete Alphabetisierungspraxis in Anlehnung an seine Ausführungen zum Alphabeti- sierungsprozess in Brasilien zwischen 1961 und 1964 (Freire 1980: 54ff.) mit Verweisen auf die Methodenentwicklung in späteren Projekten. Daraus leite ich die konstitutiven Elemente generativen Arbeitens bei Freire ab und erstelle dazu ein Modell, das ich als Haus der generativen Bildung bezeichne. 3.1.1 FREIRIANISCHE ALPHABETISIERUNGSKAMPAGNEN — CONSCIENTIZACÃO „Slum, Regen, Pflug, Land, Nahrung, Tanz, Brunnen, Fahrrad, Arbeit, Gehalt, Beruf, Regierung, Sumpfland, Zuckermühle, Hacke, Ziegelstein, Reichtum.“ (Freire 1980: 86–88). Ein erster Blick auf die hier aufgelisteten Wörter ruft die Assoziation eines fremden Alltags hervor. Tatsächlich handelt es sich um eine Reihe von Wörtern, die, in großer Entfernung von meinem Hier und Jetzt betrachtet, zusammengestellt und erforscht wurden — nämlich vor einem hal- ben Jahrhundert in Rio de Janeiro, nicht lange bevor am 1. April 1964 in Brasi- lien die demokratisch gewählte Regierung von João Goulart durch die Armee gestürzt wurde. Diese Wortreihe bildet einen essenziellen Bestandteil inner- halb der Alphabetisierungsprogramme, die Paulo Freire seit den 1950er-Jahren konzeptualisiert und vielerorts umgesetzt hat. Die ausgewählten Wörter soll- ten nicht irgendwelche Wörter sein, die fernab der eigenen Erfahrungswelt der Lernenden liegen. Die Erforschung relevanter Wörter im jeweils konkre- ten Lebenskontext, in dem Menschen auch durch Schreiben und Lesen ihrer Sprache mächtig werden sollten, stellt die Basis von Freires Methodologie der Alphabetisierung dar. Freire wollte Wörter verwenden, die zum Leben, zum direkten Umfeld der Menschen gehörten und die eine Brücke zwischen den Menschen und der Welt schlagen konnten, Wörter, die aus dem Leben jedes Einzelnen kamen und wieder darauf verwiesen (Freire 1980: 54). Die Menschen, die an den Alphabetisierungsprogrammen von Paulo Freire teil- nahmen, erlernten auf Basis ihrer generativen Wörter binnen weniger Wochen das Schreiben und Lesen. Voraussetzung für den großen Erfolg war es, mit genau jenen Bestandteilen zu arbeiten, die das thematische Universum der Menschen ausmachten: „Die Untersuchung dessen, was ich als ,thematisches Universum‘ des Volkes bezeichnet habe — der Komplex seiner ,generativen Themen‘ —, eröffnet den Dialog der Bildung als Praxis der Freiheit.“ (Freire 1978: 79–80) Als Experiment auf lokaler Ebene setzte Freire zuerst in Angicos/Rio Grande do Norte ein Alphabetisierungsprojekt um — und das in einer Zeit, als man per Gesetz nicht als vollwertige_r Bürger_in anerkannt war, wenn man nicht
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Generative Bildarbeit Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Titel
Generative Bildarbeit
Untertitel
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Autor
Vera Brandner
Verlag
transcript Verlag
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-5008-6
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
276
Schlagwörter
Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
Kategorie
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