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Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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102 Phase 1 Vom Wortuniversum zu den generativen Wörtern In der ersten Phase eines freirianischen Alphabetisierungsprojekts wurde die Lebenswelt der teilnehmenden Menschen erforscht. Die Koordinator_innen des Projektes begaben sich dabei in jenen Kontext, in dem das Projekt stattfin- den sollte, redeten mit den Menschen vor Ort in informellen Settings, hörten zu, beobachteten und hielten zentrale Aussagen in Gesprächsprotokollen fest. So erzählte ein Teilnehmer aus dem Hinterland von Rio Grande do Norte: „Es ist schwer, den Januar in Angicos durchzustehen, denn der Januar ist ein harter Bursche, der uns Leiden bringt.“ (Freire 1980: 54). Ein anderer Mann aus Recife begründete seine Teilnahme am Programm mit folgenden Worten: „Ich möchte lesen und schreiben lernen […], damit ich aufhöre, der Schatten von anderen Leuten zu sein.“ (ebd.: 54–55). Und wieder ein anderer erklärte: „Das Volk zieht eine Schraube im Kopf an. […] Das ist der Grund dafür, daß du, Professor, hergekommen bist, um mit mir, dem Volk, zu reden.“ (ebd.). Die Koordinator_innen sammelten eine Vielzahl von Aussagen, die den Reich- tum an vorhandenen Sprachen und Themen in einem spezifischen Kontext widerspiegelten. Anschließend wurden die Aussagen von ihnen systematisch analysiert, um jene Worte daraus abzuleiten, die für die Teilnehmenden in ihrer Lebenswelt relevant erschienen, somit deren Wortuniversum bildeten. Dieses Wortuniversum wurde einem Auswahlverfahren unterzogen — in Hinblick auf zwei Aspekte: den phonemischen Reichtum der vorhandenen Wörter sowie ihre Relevanz für die Lebenswelt und den Erfahrungsraum der Alphabetisand_innen. Geleitet durch ihre alltägliche Neugier, begaben sich die Koordina tor_in - nen in einen ihnen fremden Kontext und initiierten dort Dialogprozesse. Durch die Auseinandersetzung mit dem Anderen und der eigenen Differenz- erfahrung nahmen sie als Subjekte in diesem Prozess eine reflexiv-kritische Position ein und erschlossen so, durch ihr Hinterfragen, gewissermaßen den theoretischen Kontext der generativen Wörter. Damit wurde ihre spontane Neugier zu einer epistemologischen (Freire 2007: 90–91; siehe auch 86ff.). Die Alphabetisand_innen waren in diesem Stadium noch nicht aktiv in den Prozess eingebunden. Ihre Lebenswelt wurde beobachtet, sie wurden ange- sprochen, woraus erste Dialogsituationen entstehen konnten. Sie stellten wichtige Informationen für den Prozess zur Verfügung, gestalteten diesen aber noch nicht selbstständig mit. In einer späteren Alphabetisierungskampagne, die Paulo Freire mit seiner Frau Elza Freire in São Tomé ab 1976 umsetzte, wurden die Alphabetisand_innen vom ersten Moment an, bei der Konzeption des Projektes, in die Entscheidungsfindung involviert (Freire 1981). Dies geschah im Rahmen von Seminaren mit den Alphabetisand_innen und den Koordinator_innen, in denen der Inhalt und vor allem die politische Dimension der Alphabetisierungskampagnen mit allen Beteiligten diskutiert wurden. Damit wurden die Subjekt- und Objektpositionen der Beteiligten von Beginn an dynamisch angelegt. Phase 2 Von generativen Wörtern zu Bildern In der zweiten Phase wurden die ausgewählten generativen Wörter in ent- sprechende Bilder übersetzt. Die Bedeutungsvielfalt eines Wortes sollte sich, stets in Bezug auf die Lebenswelt der Menschen, in jeweils einem Bild wider-
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Generative Bildarbeit Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Titel
Generative Bildarbeit
Untertitel
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Autor
Vera Brandner
Verlag
transcript Verlag
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-5008-6
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
276
Schlagwörter
Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
Kategorie
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