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4.2 METHODISCHE WERKZEUGE IM DEUTUNGSPROZESS
Es wurde ein rekursiver Deutungsprozess zur Bearbeitung des Datenmaterials
aus der multiplen Fallstudie angelegt. Ziel dabei war es, in Form einer struktu-
rierten Reflexion der Daten die Erkenntnisse im größeren Diskurszusammen-
hang der übergeordneten Fragestellung zu betrachten. Dazu wurden methodi-
sche Werkzeuge verwendet, die denen der Reflexiven Grounded Theory
(Breuer 2010) entsprechen: das Theoretische Sampling, das Kodieren und das
Führen eines Forschungstagebuches. Diese methodischen Werkzeuge dienten
konkret dazu, beim Deuten das Verhältnis zwischen meinem Vorverständnis
und dem Textverständnis in Bezug auf den Datenkorpus in Balance zu halten.
Auf der Metaebene wurde dadurch das Verhältnis von Besonderem und Allge-
meinem ausgelotet und ein Changieren zwischen der Mikroebene und einem
ganzheitlichen Blick ermöglicht.
4.2.1 THEORETISCHES SAMPLING
Der Deutungsprozess beginnt bei Grounded-Theory-Projekten grundsätzlich
gleich mit den ersten Daten, die im Feld gesammelt werden; die Ergebnisse
dieser ersten Schritte bestimmen dann jeweils den weiteren Prozessverlauf
und die Weite des Datenbegriffes (Strauss 1998: 70; Breuer 2010: 52). Das
Vergleichen und Kontrastieren von verschiedenen Fallbeispielen, Phänomenen
und Kontexten ermöglicht es von Beginn an, Hypothesen und Konzepte
direkt aus der Datensammlung zu generieren. Nach mehreren rekursiven
Schleifen können daraus theoretische Modelle entstehen, die dann wiederum
das Fundament für ein neues Theoriegebäude bilden und mit bestehenden
Theorien verknüpft werden. Schließlich führen mehrere rekursive Schleifen
während des Bildens von Thesen zu einer Theorieskizze (siehe Kapitel 5).
In einem größeren Forschungsteam ist ein solches Vorgehen möglich, indem
einzelne Aufgaben von verschiedenen Personen erfüllt werden. Bei der
vorliegenden multiplen Fallstudie handelte es sich jedoch um ein Forschungs-
projekt, das ich als Einzelperson durchführte. Es fanden mehrere Fallstudien
parallel statt, wodurch ich mit der Durchführung und Datenerhebung zeitlich
in so großem Maß ausgelastet war, dass ich nicht gleich im Anschluss an
die Datenerhebung weitere Analyseschritte vornehmen konnte. Erhebung
und Analyse fanden dadurch immer wieder zeitlich versetzt statt. Um
dennoch im Sinne des Theoretical Sampling vorzugehen, wurden mehr
Fallstudien, als für die Analyse notwendig, angelegt und darin ein sehr breites
Set an Daten erhoben, auf das bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt in
der Analyse zurückgegriffen werden konnte. So wurde, trotz zeitlicher
Ver schiebungen, ein paralleles Arbeiten im Modus des Datensammelns, des
Analysierens, des Sampelns, des Konzeptualisierens und Modellierens und
damit das Arbeiten in Form des Hermeneutischen Zirkels (Gadamer 1965: 220ff.)
möglich. Die Interaktionen von Menschen im Forschungszusammenhang
wurden vor dem Hintergrund eines gewissen Vorverständnisses wahr-
genommen und gedeutet. Dabei veränderte sich mein Vorverständnis — was
zugleich entsprechende Konsequenzen für einen nächsten Deutungsakt
mit sich brachte. Mit jeder weiteren Wahrnehmung, Interpretation und
Erfahrung konnte transformatives Forschen (WBGU 2011) vollzogen werden.
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien