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165 geist: „Die Abduktion ist also ein mentaler Prozess, ein geistiger Akt, ein
gedanklicher Sprung, der das zusammenbringt, von dem man nie dachte, dass
es zusammengehört.“ (Reichertz 2012: 281). Eine neue Ordnung muss erst
erfunden werden.
Offen, axial, selektiv
Das Kodierverfahren im Forschungsstil der Grounded Theory ermöglichte es,
deduktive, induktive und abduktive Herangehensweisen durch den rekursiven
Dreischritt von offenem, axialem und selektivem Kodieren zu verschränken.
Ziel des rekursiven Dreischritts war es, zu einer gleichermaßen gegenstands-
bezogenen als auch datenbasierten Theorieskizze zu gelangen.
Beim offenen Kodieren wurde das Bedeutungsspektrum des Daten-
materials ausgelotet. Die Daten wurden aufgebrochen und in Konzepten und
Kategorien neu zusammengestellt (Breuer 2010: 80–84). Ausgehend von der
Frage „Was ist hier der Fall?“, wurden beim offenen Kodieren Beobachtungen
gemacht, auf deren Basis weitere „theoriegenerierende W-Fragen“ (Böhm
2012: 476) an das Datenmaterial gestellt werden konnten. Auf der Suche nach
verschiedenen Antwortmöglichkeiten wurden Ähnlichkeiten und Unterschiede
zwischen einzelnen Beobachtungen herausgearbeitet, Paraphrasen formuliert,
Vergleiche gezogen, Kontraste gebildet und daraus Konzepte formuliert. Ein-
zelne Konzepte galten in den ersten Kodierphasen als vorläufig und konnten
durch weitere Kodierschleifen gefestigt oder auch wieder verworfen werden
(Strauss 1998: 54). Gefestigte Konzepte wurden im Laufe des offenen Kodierens
gruppiert und geordnet und führten so zu übergeordneten Kategorien. Durch
fortwährendes Benennen und Vergleichen konnte ein weitläufiges Katego-
riensystem erarbeitet werden. Im Verlauf wurden immer wieder neue Fragen
mit Blick auf die Daten generiert. Diese generativen Fragen (Breuer 2010: 81)
entsprangen dem Prozess und trieben ihn gleichzeitig voran. Je umfangreicher
das Kategoriensystem wurde, desto vielfältiger wurden die Möglichkeiten
im Deutungsprozess (Strauss 1998: 99). Das offene Kodieren ist grundsätzlich
eine induktive Herangehensweise, die jedoch immer wieder zu kreativen
Momenten beim Fragenstellen, Benennen und Vergleichen führt und damit
auch abduktive Geistesblitze hervorbrachte.
Das offene Kodieren ging fließend in das axiale Kodieren über. Während
beim offenen Kodieren das Kategoriensystem zunehmend erweitert wurde,
galt es beim axialen Kodieren, eine Auswahl zu treffen und die Aufmerk-
samkeit auf ein paar wenige oder auch nur eine der bestehenden Kategorien
zu richten. Dieser Auswahlprozess erfolgte, indem bestehende Kategorien
mit
einander in Beziehung gesetzt und dadurch ihre Eigenschaften heraus-
gearbeitet wurden (ebd.: 101). Die Kategorien, zu denen möglichst viele andere
Kategorien in Beziehung gesetzt werden konnten, traten dabei als übergeord-
nete Kategorien bzw. mögliche Schlüsselkategorien hervor. Diese möglichen
Schlüsselkategorien wurden durch Theoretisches Sampling im erweiterten
Datenkorpus überprüft (Breuer 2010: 84–85; Böhm 2012: 479). Beim axialen
Kodieren wurden aus dem Kategoriensystem ein oder mehrere theoretische
Modelle herausgearbeitet, die in direktem Bezug zum Erkenntnisinteresse des
Forschungsprojektes stehen. Dazu war es notwendig, eine angemessene Sys-
tematik zu finden, mit der der Schritt vom reinen Kodieren zum Modellieren
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien