Seite - 171 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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171 Nachdem das Format des Forschungstagebuchs den meisten Teilnehmer_
innen wenig vertraut war, formulierte ich Impulsfragen, die sie bei Bedarf zur
Orientierung heranziehen konnten (siehe Abb. 40).
Die Bedeutung von Forschungstagebüchern wurde in den einführenden
Lehrveranstaltungseinheiten thematisiert und diskutiert. In Gruppendiskus-
sionen wurden die spezielle Qualität von Forschungstagebüchern, verschiedene
Verwendungszusammenhänge sowie die Möglichkeiten, damit Forschendes
Lernen zu betreiben, besprochen. Es wurde herausgearbeitet, dass es sich bei
diesem Format grundsätzlich um einen intimen und privaten Lernort für das
forschende Denken handelt (Breuer 2010: 129). Dadurch sollte die Sensibilität
im Umgang mit den eigenen Forschungstagebüchern gefördert werden.
Dennoch gaben die Studierenden die Forschungstagebücher im Laufe des
Prozesses zwei- bis dreimal an mich ab. Zum einen bekam ich so als Lehrende
vertieften Einblick in den forschenden Lernprozess und konnte den Teilneh-
mer_innen über den gesamten Prozess hinweg jeweils ein individuelles Feed-
back geben. Zum anderen dienten die Forschungstagebücher, neben den
generativen Fotoarbeiten, als Grundlage für die erfolgreiche Teilnahme an der
Lehrveranstaltung. Diese Doppelrolle als Lerntool und Prüfungsgrundlage hat
allerdings ambivalenten Charakter, was auch von den Studierenden in ihren
Forschungstagebüchern und in der Gruppendiskussion kritisch reflektiert und
kommentiert wurde. Im Laufe des gemeinsamen Arbeitens kamen jedoch —
vor allem durch den Aufbau gegenseitigen Vertrauens — die positiven Aspekte
des verpflichtenden Schreibens der Forschungstagebücher zum Tragen. Die
meisten Studierenden begaben sich in einen intensiven Prozess des schreiben-
den Reflektierens. Sie konnten sich dadurch umfassend auf den Gruppenpro-
zess einlassen und sogar an manchen Stellen vergessen, dass sie sich in einer
Lehrveranstaltung befanden, in der ihre Leistung mit Credit-Points bewertet
wurde. In den Lehrveranstaltungen kamen die Forschungstagebücher als zen-
trales Werkzeug für das Forschende Lernen der Teilnehmer_innen zum Ein-
satz. Im Rahmen der Fallstudien wurden sie auch zum Datenmaterial, da die
Teilnehmer_innen in ihnen eigene Erfahrungen und Gedanken reflektierten,
die sie bei der Generativen Bildarbeit und damit bei ihren Interaktionen auf
verschiedenen Ebenen gesammelt hatten. Jeweils am Beginn einer Lehrveran-
staltung informierte ich die Teilnehmer_innen und holte für die Verwendung
der Forschungstagebücher als Analysematerial ihre Zustimmung ein. Am Ende
der Lehrveranstaltung fragte ich erneut nach, um die anfängliche Zustimmung
bestätigen zu lassen bzw. den Teilnehmer_innen die Möglichkeit zu geben,
diese nochmals zu überdenken und bei Bedarf zurückzuziehen. Im Datenpool
für die Analyse befanden sich somit nur jene Forschungstagebücher, die von
den Studierenden freigegeben waren.
Generative Fotoalben der Teilnehmer_innen In den Fallstudien, die im
Rahmen von Lehrveranstaltungen an der Universität Wien stattfanden,
gestalteten die Teilnehmer_innen aus ihren fotografisch-visuellen Beiträgen
ein generatives Fotoalbum. Mit diesem Begriff bezeichne ich eine Weiterführung
des klassischen Fotoalbums, das im Zeitalter der analogen Fotografie vor allem
der Familiendokumentation diente und eingesetzt wurde, um Liebgewonne-
nes, Vertrautes oder das Eigene festzuhalten. Das generative Fotoalbum greift
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien