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Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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230 Fotografie legt. Zuerst beleuchtet Sontag die Fotografie als Machtinstrument und formuliert eine umfassende Kritik an diversen Formen der fotografischen Machtaneignung und -ausübung: „Fotografieren heißt, sich das fotografierte Objekt aneignen. Es heißt, sich selbst in eine bestimmte Beziehung zur Welt setzen, die wie Erkenntnis — und deshalb wie Macht — anmutet.“ (1980: 10). Je nach Position im fotografischen Spannungsfeld können sich Beteiligte, so Sontag, gewisse Formen von Macht aneignen und, da sie über Technologien der Sichtbarmachung verfügen, steuern, was dokumentiert und veröffentlicht oder auch ausgeblendet wird. Später thematisiert sie vor allem das dokumen- tarische und Evidenz-erzeugende Potential der Fotografie — Kriege, humanitäre Katastrophen und Ungleichheitsverhältnisse würden demnach erst in das Bewusstsein der globalen Öffentlichkeit rücken, wenn zu ihnen fotografische Dokumente bestehen und verbreitet werden (Sontag 2003). Sontag argumen- tiert, dass Bilder vom Leben und Leiden Anderer nicht nur ein Schauspiel bieten, das zur Abstumpfung der Massen und zum Machterhalt einiger weni- ger diene, sondern dass Leidensbilder in einer Zeit der Informationsüberflu- tung auch einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen: Fotografische Bilder und deren Verbreitung würden es zumindest einen Moment lang ermöglichen, mensch liches Leid und humanitäre Katastrophen als gegenwärtig zu begreifen (ebd.: 29). Fraglich bleibt, ob und wie durch diverse visuelle Kanäle und Ver- breitungstechnologien die „surreale, gesellschaftliche und zeitliche Distanz“ (Sontag 1980: 60) zwischen Menschen in völlig unterschied lichen Lebenswelten überbrückt werden kann, ohne dabei die Anderen in ihrem Leid zu fixieren. Machtaneignung auf der einen Seite bedeutet die Verbreitung von Angst auf der anderen. Menschen auf dieser anderen Seite des fotografischen Span- nungsfeldes sehen sich vermehrt der Angst ausgesetzt, durch die Präsenz von Überwachungskameras im öffentlichen Raum jederzeit unfreiwillig zum Bild zu werden, von anderen gesehen und kontrolliert zu werden und in Form von Datensätzen in diversen Speicherarchiven oder Internetseiten zu landen. Es handelt sich hierbei um die Angst, zu einer Art „gläsernen Menschen“ zu werden, für den sich die Grenzen zwischen Privatleben und Öffentlichkeit durch visu- elle Kontrollmechanismen in Auflösung befinden. Die Vergegenwärtigung und Bewusstmachung dessen, was Barthes als das Wesen der Fotografie beschreibt und was sich in meiner Theorieskizze als fotografisches Spannungsfeld herausstellt, kann als gedankliche Stütze dienen, um weder aus rein idealistischer noch rein kulturpessimistischer Sicht auf die Fotografie zu blicken. Im fotografischen Spannungsfeld werden durch soziale Interaktion fotografische und imaginierte Bilder hervorgebracht und diese tragen dadurch zu Blickwechseln und gegenseitiger Wahrnehmung bei. Denn jedes Foto entsteht und besteht, indem sich reale Menschen im fotogra- fischen Feld betätigen und durch den Akt des Fotografierens miteinander in Verbindung treten, wobei diese Verbindung durch die Verbreitung der Fotos fortlaufend weitere Menschen involviert. Es gilt, den Mythos einer übermensch- lichen Bildermacht und die daraus resultierende Bilderangst zu entzaubern und im Gegensatz dazu die Vieldeutigkeit des Visuellen anzuerkennen und verantwortungsvolle Umgangsformen mit Visualität und Bildlichkeit zu ent- wickeln (Schade/Wenk 2011: 8). Die Debatten um den pictorial und iconic turn (Boehm/Mitchell 2009) können in der Entwicklung solch verantwortungs-
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Generative Bildarbeit Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Titel
Generative Bildarbeit
Untertitel
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Autor
Vera Brandner
Verlag
transcript Verlag
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-5008-6
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
276
Schlagwörter
Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
Kategorie
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