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Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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243 Grad handlungsunfähig macht. Er kann so auch als gute Begründung dienen, sich dem eigenen Schicksal hinzugeben, jeden Gedanken an eine eigene Teil- habe am Weltgeschehen zu ignorieren und sich dem amor fati (Liebe zum Schicksal) zu ergeben (Bourdieu 1987: 378). Wenn man sich allerdings auf eine Abkehr von der strukturalistischen Bedrücktheit einlässt, kann gerade das Erkennen von Grenzsituationen, in denen Ungleichheit hervorgebracht wird, eine Möglichkeit für generative Forschungs- und Bildungsprozesse sein — nämlich dann, wenn Ungleichheitsverhältnisse als generatives Thema verhan- delbar werden (Freire 1978: 84). Richtet man die Aufmerksamkeit darauf, dass trotz des vorhandenen Strukturdeterminismus das Gefüge des sozialen Rau- mes beweglich und dauerhaft zugleich ist, können auch die vermittelnden, schöpferischen und generierenden Eigenschaften des Habitus Beachtung fin- den (Reckwitz 2012: 41). Aus dieser Perspektive lässt sich Bourdieus Begriff der Distinktion (1987) in Bezug zu Bhabhas Begriff der kulturellen Differenz (2004) setzen. Beide Konzepte verweisen auf alltäglich erfahrbare Ungleichheitsverhältnisse, die sich jedoch anhand unterschiedlicher Phänomene zeigen (Bonz 2012: 34). Während bei Bourdieu das Erkennen der eigenen Habitusform einen Men- schen vordergründig die Gemeinsamkeiten mit all jenen wahrnehmen lässt, die der eigenen Gruppe angehören, bringt die Distinktion das Erkennen von Unterschieden, ein Sich-Erheben bzw. -Erniedrigen gegenüber anderen und damit eine Abgrenzung mit sich. Es geht hier um ein Sich-Unterscheiden, das sich beispielsweise im Geschmack zeigt und das gleichzeitig auf eine gewisse soziale Zugehörigkeit schließen lässt (Bourdieu 1987: 104). Bourdieu beschreibt damit eine Möglichkeit, in der sich die Haltung des amor fati in ein odium fati (Hass auf das Schicksal) verwandeln kann (ebd.: 378). Bei Bhabhas kultureller Differenz geht es um eine Abgrenzung, die auf einer Unsicherheit über die eige- ne Zugehörigkeit beruht, wie sie etwa durch Migrationserfahrung entstehen kann. Situationen kultureller Differenz ergeben sich, weil die Menschen per- manent völlig unterschiedliche kulturelle Praktiken hervorbringen, mit denen sie ihre eigenen Bedeutungssysteme konstruieren. Diese lassen sich Bhabha zufolge nicht mit universalistischen Bedeutungssystemen erfassen; allzu schnell würden neue Veränderungen vollzogen, die jeden Versuch, sie auf allgemeiner Ebene zu erklären und zu verstehen, obsolet machten (2004: 232). Beide Konzepte, das der Distinktion und das der kulturellen Differenz, behan- deln Grenzsituationen, in denen Menschen sich von ihrer eigenen Identifi- kation mit der Welt, die sie umgibt und die sich bislang in sie ein geschrieben hat, lösen. Die „Risse“ (Bonz 2012: 48), die dabei zwischen dem Subjekt und seinem Habitus entstehen, können in einer Verlustsituation münden. Sie können aber auch als Situation gefasst werden, in der die Möglichkeit gegeben ist, eine kritisch-reflexive Haltung einzunehmen. In diesem Sinne kann Transdisziplinarität als Situation kultureller Differenz betrachtet werden, die sich durch “incomplete knowledge, nonlinearity, and divergent interests” (Mollinga 2010: 4) auszeichnet. Es handelt sich dabei um Zusammenhänge, in denen Menschen, die in verschiedenen Lebenswelten, Wissens- und Erkenntniskulturen leben, durch geteilte Phänomene und Problemstellungen miteinander verbunden sind. Kulturelle Differenzen bringen sich dabei auf verschiedenen Ebenen zur Geltung.
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Generative Bildarbeit Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Titel
Generative Bildarbeit
Untertitel
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Autor
Vera Brandner
Verlag
transcript Verlag
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-5008-6
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
276
Schlagwörter
Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
Kategorie
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