Seite - 250 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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Forschungsprozess. In transdisziplinÀren, von Unsicherheit geprÀgten
Forschungskonstellationen wird ein solch rekursives Vorgehen unbedingt
empfohlen (Lang/Vilsmaier 2014: 101). Dadurch werden das Generieren und
Deuten eines Bildkorpus, aber auch die Interaktionen im Forschungsfeld,
möglichst intensiv und ĂŒber einen lĂ€ngeren Zeitraum hinweg als gemein-
samer Prozess aller Beteiligten gestaltet und wiederholt. Im Wechselspiel
von Fotoproduk tion, -rezeption und -interpretation werden dabei unzÀhlige
fotografische Selbst- und Fremdbilder erzeugt.
âDenn auch die in der Wissenschaft verwendeten Bilder sind
insofern von Ambivalenzen gekennzeichnet, als sie sich unterschied-
lich wahrnehmen lassen. Auch hier hÀngt es vom Blickakt des
Betrachters ab, wie das Bild ,zurĂŒckblicktâ â welches Wissen bzw.
welche Erkenntnis es dem Betrachter ermöglicht oder gar suggeriert.â
(Fischer-Lichte 2012: 158)
Durch das rekursive Vorgehen ist es nicht nur ein einzelner Blickakt zwischen
Bild und Betrachter_in, der eine raumaufspannende Wirkung aufweist. Viel-
mehr handelt es sich um eine ganze Folge von Blickakten, die eine Basis fĂŒr
gemeinsames Forschen und Lernen im Rahmen der Generativen Bildarbeit
bilden: der Blickakt zwischen Motiv und Fotograf_in beim Fotografieren,
jener zwischen Fotograf_in und Foto beim Entwickeln oder AuswÀhlen des
Fotos, der Blickakt zwischen dem Foto und jenen, die das Foto irgendwo
verwenden wollen, und schlieĂlich die unzĂ€hligen Blickakte zwischen dem
Foto und den Betrachter_innen, denen das Foto zugÀnglich gemacht wird.
Demnach kann Generative Bildarbeit als rekursiver und performativer Prozess
gefasst werden, den Ambivalenzen und Unvorhersehbarkeit, aber vor allem
eine gewisse transformative Kraft kennzeichnen.
Wissensintegration durch wechselnde Subjekt- und Objektpositionen
In transdisziplinÀren Projekten wird unter anderem das Ideal angestrebt,
als Forscher_in mit den beteiligten Menschen im Forschungsfeld partizipativ
zu forschen, nicht lediglich ĂŒber sie (Hanschitz et al. 2009: 83ff.). Um ein
transdisziplinÀres Forscher_innenkollektiv zu bilden, ist es erforderlich, dass
auf der einen Seite die Forscher_innen aus der Distanziertheit heraus das Feld
betreten, wÀhrend auf der anderen Seite die Beteiligten im Forschungsfeld
bereits eine besondere NĂ€he zum Forschungsgegenstand aufweisen. Treffen
Menschen mit solch unterschiedlichen Voraussetzungen im Forschungsprozess
aufeinander, besteht die Herausforderung darin, die unterschiedlichen Wis-
sens- und Erkenntnisformen, die sie zu bieten haben, fĂŒreinander zugĂ€nglich
zu machen. Durch Generative Bildarbeit entsteht ein gemeinsamer Lern- und
Forschungsraum, der vor allem dadurch charakterisiert ist, dass er fĂŒr alle
Beteiligten einerseits unalltÀglich, anderseits durch den Einsatz der Fotografie
als Alltagspraxis vertraut ist. SĂ€mtliche Protagonist_innen, ob Wissenschaft-
ler_innen oder Beteiligte im Forschungsfeld, finden sich durch ihre fotografische
Praxis, in der sie gleichermaĂen als Fotograf_innen, Motive oder Betrachter_
innen denken und handeln, in einem Wechselspiel wieder, in dem sie einmal
Subjekt- und dann wieder Objektpositionen einnehmen. Hier lÀsst sich eine
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, SituationalitÀt, ReflexivitÀt
- Kategorie
- Medien