Seite - 14 - in Gerichtsbarkeit und Gerichtssäulen der ehemaligen Herrschaft Hagen bei Linz
Bild der Seite - 14 -
Text der Seite - 14 -
13
Bekannt ist ferner, dass im 16. und 17. Jahrhundert die Herrschaften die Autonomie der
Dorfgemeinden zunehmend einengten, nach und nach jede aktive Beteiligung der
Untertanen an der Rechtsprechung unterbanden. Die Taidinge verloren allmählich ihren
Charakter als Gerichtsversammlungen, es handelte sich in der Folge um meist jährliche
Versammlungen aller Gemeindemitglieder unter dem Vorsitz des Herrn oder seines
Vertreters (ursprünglich ein Forum, das sowohl für die Rechtsprechung des Dorfgerichtes
als auch für die Regelung der dörflichen Wirtschaft und des Zusammenlebens im Dorf
zuständig war). Wie bereits erwähnt, wurde die Pflege der niederen Gerichtsbarkeit in die
Herrschaftskanzlei verlegt und häufig von herrschaftlichen, meist nicht speziell
ausgebildeten Beamten ausgeübt. 34 Der Pfleger (oder Amtmann) hatte als Vertreter des
Grundherrn den Auftrag, bei entsprechend schweren Verfehlungen der Untertanen die
Verhaftung einzuleiten, den Malefikanten vorläufig sicherzustellen und den Landrichter
zwecks Übernahme am entsprechenden Ort zu verständigen, welcher sich im Hagen bei
den Gerichtssäulen an der Ecke der südöstlichen Herrschaftsgrenze befand.35 Die
Grundherren selbst lebten großteils oder partiell außerhalb des Gerichtssprengels der
betreffenden Herrschaft und delegierten die Rechtshändel an ihre Vertreter, wie dies
gewiss für die frühen Zeiten des Gutes Hagen ua unter den Herren vWallsee und ab
1748 unter den Starhembergern zutraf.
In diesem Zusammenhang ist die Klage der Waldviertler Bauern in den Jahren 1596
und 1597 zu betrachten, dass nämlich straffällige Personen nicht mehr von „Richter und
Rat“ (der nächsten Stadt) nach Anhörung von Anklage und Rechtfertigung abgeurteilt
würden, sondern dass „etliche Obrigkeiten“ willkürliche und zu hohe Geldstrafen
verhängten, ohne die Beklagten zur Verantwortung kommen zu lassen. „Jetzt reiße der
Herr das Gericht an sich und urteile nach Gutdünken für seinen Säckel…Von einer
Gerichtsbarkeit der Dörfler im Banntaiding sei keine Rede mehr…“36 Auch entschieden
die Schöffen (Urteiler, Beisitzer) auf der Grundlage des lokalen Gewohnheitsrechtes, von
Präzedenzfällen und ihrem spontanen Rechtsgefühl ausgehend, und nur subsidär nach
der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532.37
Ferner sei auf den im grundherrlichen Verständnis existenten Begriff „Dachtraufen-
Gerichtsbarkeit“ hingewiesen, welcher sich im engeren Sinne auf das Gut mit dem
dazugehörigen Wirtschaftshof und Garten bezog. Dieses ummauerte oder umzäunte
Gebiet war von der normalen Gerichtsbarkeit eximiert, mit Ausnahme der Malefizfälle,
welche dem Landrichter zugeführt werden mussten (s.o.). Dieser durfte den Täter nicht
aus einem der Grundherrschaft gehörigen und unter deren Schutz stehenden
Gebäude herausholen lassen, den Grundherrn hingegen traf die Auslieferungspflicht
innerhalb von drei Tagen (im Hagen Übergabe-Ort bei den Gerichtssäulen). Nur der
Übeltäter selbst war auszuliefern, sein Eigentum jedoch gehörte dem Grundherrn. Es
handelte sich bei der Dachtraufen-Gerichtsbarkeit um Gerichtsrechte, die mit dem freien
Eigen38 des Adels verbunden waren. Ihr wird eine Art Mittelstellung zwischen
grundherrlicher und Landesgerichtsbarkeit eingeräumt, die Einstufung als
Niedergerichtsbarkeit (Zuständigkeit s.o.) getroffen. Sie stand in Österreich meist nur dem
34 Die das lokale Gewohnheitsrecht enthaltenden „Weistümer“ und „Banntaidinge“ wurden ursprünglich von
rechtskundigen Männern gewiesen und beschworen. Seit dem 16. Jh trachteten viele Grundherren das für
die Untertanen geltende Recht zu vereinheitlichen und vor allem die Pflichten der Untertanen in den
Weistümern zu betonen, einseitig erlassene Dorfordnungen zu etablieren. AK Adel im Wandel, 76.
35 Mezler-Andelberg, einige PI, ua 28. Juni 1999.
36 Stenzel, Dorf, 88. HRG, 986: Die Höchstgrenze der Dorfbußen lag zB in Bayern bei 72 Pf oder 6
Schillingen, was ähnlich anderen deutschen Territorien gehandhabt wurde.
37 AK Adel im Wandel, 75f. Vgl auch Wilhelm Friedrich, Prof. Dr., Von alten Gerichtsstätten. In: Linzer
Tagespost Nr. 167, 22. Juli 1935.
38 Freies Eigen: 1. Ursprünglich nur dem Ritterstand/Adel ebenbürtiges Gut, an welchem die niedere
Gerichtsbarkeit hing; 2. Allod. Harth, Patrimonale Gerichtsbarkeit, 125f. Schäffer, GHft Hagen, Bd I, II (Ms).
Gerichtsbarkeit und Gerichtssäulen der ehemaligen Herrschaft Hagen bei Linz
- Titel
- Gerichtsbarkeit und Gerichtssäulen der ehemaligen Herrschaft Hagen bei Linz
- Autoren
- Hanna Schäffer
- Herbert Schäffer
- Verlag
- Eigenverlag Schäffer
- Ort
- Linz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 64
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918