Seite - 1 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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Einleitung
„Daß diemännlicheHerrschaft sich nichtmehrmit der Evidenz dessen,
was sich von selbst versteht, aufzwingt, ist sicher die wichtigsteVerände-
rung“, schrieb Pierre Bourdieu in seiner Analyse der gesellschaftlichen
Ordnung und ihrer Geschlechterverhältnisse.1Und tatsächlich lässt sich
dieseAussage auchhinsichtlich derZulassung vonFrauen zumakademi-
schen Studium in Österreich bestätigen. Dieser Zulassungsprozess war
zunächst nämlich von einem Verbot gekennzeichnet: Am 6.Mai 1878
verfügtedasMinisteriumfürKultusundUnterricht erstmals einenErlass,
der Frauen die Immatrikulation an den Universitäten ausdrücklich un-
tersagte.2 Anlass für diese Abwehrreaktion waren konkrete Anträge von
Studienbewerberinnen, durch die sich dasMinisteriumnach einem jahr-
hundertelangen, stillschweigend praktiziertenAusschluss zum erstenMal
genötigt sah, diesen auch explizit zu formulieren.DerErlass lässt sich als
Akt patriarchaler Machtdemonstration lesen; mit Blick auf Funktions-
prinzipiensozialerOrdnungundMechanismenderExklusionverweistdas
1878erlasseneVerbotabereherdarauf,dassdieMachtdiesesAusschlusses
dadurch, dass er nun in legitimatorischen Diskursen artikuliert werden
musste, bereits imSchwindenbegriffenwar.Knapp zwanzig Jahre später,
imWintersemester 1897, wurden Frauen an der philosophischen und
1900 an dermedizinischen Fakultät derUniversitätWien zumStudium
zugelassen.3
Das Fach Deutsche Philologie gehörte von Anfang an zu den von
Frauen am häufigsten gewählten Studienrichtungen. Bis 1938 promo-
vierten an der Wiener Germanistik über 600 Studentinnen.4 Dass das
1 Bourdieu:DiemännlicheHerrschaft (2005), S. 154.
2 VerordnungdesMinisters fürCultusundUnterrichtandieRectoratesämmtlicher
Universitäten betreffend die Zulassung von Frauen zuUniversitäts-Vorlesungen
vom6.Mai 1878.
3 ZurZulassung vonFrauen zumStudium inÖsterreich vgl.Heindl/Tichy (Hg.):
„DurchErkenntnis zuFreiheit undGlück…“ (1990).
4 Zusammengestellt nach [Gebauer:] Verzeichnis über die seit dem Jahre 1872 an
derPhilosophischenFakultätderUniversitätWieneingereichtenundapprobierten
Dissertationen. Bd. 2 (1936), S. 1–106, Bd. 4 (1937), S. 37–61; Alker: Ver-
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher