Seite - 3 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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AusgehendvondieserFeststellung stellt sichdieFrage,wie esmöglich
war, dass inWien in den 1920er Jahren drei Privatdozentinnen an der
Germanistik lehrten, während an allen anderen Instituten des deutschen
SprachraumszeitgleichkeineFrauoderebennureineFrauzurHabilitation
zugelassenwurde.Bei derBeantwortungdieser Frage gehe ichdavon aus,
dass die Sonderstellung derWiener Germanistik auf grundlegende Ver-
änderungen desWissenschaftsbetriebs im erstenDrittel des 20. Jahrhun-
derts zurückzuführen ist, die sich sowohl auf institutioneller, fachlicher,
habitueller als auch auf politischer und rechtlicher Ebene zeigen. Die
vorliegendeStudiebeschäftigt sichalsomitdemZusammenhangzwischen
der spezifischen Verfasstheit einer lokalenWissenschaftskultur und der
Position der demakademischenBetrieb neu hinzutretenden Frauen.Um
Handlungsspielräume,Machtkonstellationen, Abhängigkeiten sowiewis-
senschaftliche und institutionelle Bedingungen sichtbar zumachen, wer-
den Strukturen undFunktionsmechanismen des Feldes ebenso analysiert
wie soziale Praktiken der diesem Kräftefeld innewohnenden Akteure.
Darüber hinaus werden aber auch das jeweilige Verhalten der Wissen-
schaftlerinnen zu den sie umgebenden Strukturen, Möglichkeiten der
wissenschaftlichen und institutionellen Etablierung sowie Formen des
Widerstands untersucht. Ich gehe also davon aus, dass nicht die Leistung
und dasVerhalten vonEinzelnen die personelle Zusammensetzung eines
Universitätsinstituts bestimmen, sondern dessen Strukturen und Funkti-
onsmechanismenwesentlichenEinfluss aufdenStatusunddieAkzeptanz
vonAußenseitern,mithin vonFrauen, imWissenschaftsbetrieb haben.
Bei derBeantwortungderForschungsfrage unterscheide ich zwischen
zwei Ebenen, die die strukturbedingte Logik der Integration und des
Ausschlusses vonWissenschaftlerinnen beeinflussen und die gleichzeitig
denAufbauder vorliegenden Studie bestimmen.Der erste Abschnitt be-
handeltdieVerfasstheitunddasSelbstverständnisderWienerGermanistik,
die in derZusammenschau von sowohlWissenschafts-, Institutionen- als
auch Studierendengeschichte analysiert werden. Dabei werden der Ab-
folgemodusvonLehrstuhlbesetzungen,innerfachlicheRichtungskonflikte,
Aufgabe undFunktion der Privatdozentur sowie dasVerhältnis zwischen
Lehrenden und Studierenden beschrieben. Einen besonderen Stellenwert
nimmtdabeidieAmtszeitWaltherBrechts ein,der von1914bis1926das
neugermanistischeOrdinariat innehatte, also für zwei der insgesamt drei
Habilitationen von Frauen verantwortlich zeichnete. Darauf aufbauend
folgen Einzeldarstellungen der ersten habilitierten Germanistinnen
ChristineTouaillon,MarianneThalmannundLilyWeiser, in denen ihre
Positionierungsbemühungen innerhalb des wissenschaftlichen Feldes
Einleitung 3
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher