Seite - 20 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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die Entscheidung über Lehrstuhlbesetzungen allein beimUnterrichtsmi-
nisterium lag und ausschließlich Privatgelehrte oder fachfremdeWissen-
schaftlerberufenwurden,entwickeltesicheinBerufungsmechanismus,der
schließlich zum ,Normalmodell‘ avancierte. Beteiligt an der Entschei-
dungsfindung waren dabei der Vorgänger des zu Berufenden sowie die
Kommission und das Professorenkollegium der Fakultät, das demMi-
nisterium den jeweiligen Besetzungsvorschlag unterbreitete. DasMinis-
teriumwiederummischtesichab1868indieWahlnichtmehrein,sondern
folgte – vor allem nachdem bei der Berufung Erich Schmidts endgültig
klargestelltwordenwar,dass vondenbeidengermanistischenLehrstühlen
einer mit einem Altgermanisten und der andere mit einemNeugerma-
nisten zubesetzenwar–derFakultätsentscheidung. InderAltgermanistik
ist ein klares Lehrer-Schüler-Verhältnis auszumachen, wobei „die jeweili-
gen Schüler in derNachfolge vonOrdinarien gezielt etabliert wurden“50.
Berufen wurden nurWissenschaftler, die ihre ,Lehrjahre‘ an derWiener
Universität verbracht hatten unddemProfessorenkollegiumbekanntwa-
ren. Als weitere Anforderung kann die Absolvierung einer ,Professoren-
erprobungsphase‘ bezeichnet werden.Damit ist gemeint, dass die zuBe-
rufendennachderHabilitationinWienihreersteZeitalsaußerordentliche
oderordentlicheProfessorenaneinemanderen,meistkleinerenInstitut im
In-oderAuslandverbrachthattenunderstdanach ,zurückgeholt‘wurden.
InderNeugermanistikwurden abderAmtszeitWilhelmScherers, der in
Wien die altgermanistische Abteilung geleitet hatte, ausschließlich Fach-
vertreterberufen,diebei ihmstudiert hattenunddie,wiedieBerufungen
Schmidts undMinors zeigen, von ihm auch für denWiener Lehrstuhl
gewünschtwurden.51 InbeidenFachbereichenwurdederNachfolger vom
jeweiligen Vorgänger, so dieser nicht verstorben war, gezielt ausgesucht;
außerdemhatteerÖsterreicherzuseinundmussteeinemvonderFakultät
vertretenen Konzept der schulischen Kontinuität entsprechen. Bis zum
Jahr 1912 und der Berufung von Carl von Kraus stand an derWiener
Germanistik also alles im Zeichen konfliktfreier Traditionsbewahrung.
Dies änderte sich jedoch grundlegend, nachdem im selben Jahr auch der
50 Höppner: Eine Institution wehrt sich (1993), S. 376. Die DiagnoseWolfgang
HöppnersüberdieBerlinerGermanistikbiszumBeginndes20.Jahrhunderts lässt
sich auch auf dieWiener anwenden.
51 Die engen persönlichen Verbindungen in der Abfolge Scherer–Schmidt–Minor
zeigen sich in außeruniversitärerHinsicht auch darin, dass sie nacheinander die-
selbeWohnung in der LandstraßerHauptstraße 88 imdrittenWienerGemein-
debezirk bezogen. Faerber: Ich bin einChinese (2004), S. 119.
I. Die Verfasstheit derWiener
Germanistik20
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher