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Seemüllers führte nahezu dieselben Namen an wie der Brief Erich
Schmidts und stimmte in seiner Argumentation exakt mit den traditio-
nellenBerufungskriteriendesFachsüberein. Seemüller sprach sich „unter
denösterreichischenGelehrten“, die allein er inBetracht zog, primo loco
ebenfalls für August Sauer aus. Sauer sei, so Seemüller, „heute der aner-
kannte Vertreter der speziell österreichischen Literaturgeschichte“, stehe
aber ebenso „inMitte des Betriebes der allgemeinen deutschen Literar-
historie“.Secundo loconannteSeemüllerden inGraz lehrendenProfessor
Bernhard Seuffert, dessenArbeiten, wie er betonte, „wie die Sauers (und
unseresverstorbenenJakobMinor)unterdemEinflusseWilhelmScherers“
stünden. Für dendrittenPlatz, dochnurwenn „dieKommission der Fa-
kultäteinenTernarvorzulegenwünsche[]“,schlugSeemüllerOskarWalzel
vor,andemerhervorhob,dasser„einSchülerMinorsundErichSchmidts“
sei.62
Mit diesen ersten Vorschlägen für die Besetzung der neugermanisti-
schenLehrkanzelinWienstanddieMinor-NachfolgezunächstimZeichen
problemfreier, d.h. über Jahrzehnte hinweg eingeübter Kontinuität. So-
wohl Sauer undWalzel als auchWeilen hatten sich an derWienerGer-
manistik habilitiert; Sauer 1879 noch bei RichardHeinzel,Weilen 1887
undWalzel 1894 bereits bei JakobMinor.Nur Seuffert absolvierte seine
akademischen Qualifikationsprüfungen nicht in Wien, sondern in
Würzburg.DortaberbeiErichSchmidt,derwiederumvon1880bis1885,
also vor JakobMinor, denWiener neugermanistischen Lehrstuhl inne-
hatte. Außerdem war er Katholik. Alle vier vorgeschlagenen Wissen-
schaftler ließen sich problemlos für eine österreichische Germanistik re-
klamierenoderwarenselbstÖsterreicher.Darüberhinausgehörtenallevier
der ersten (Sauer, Seuffert) oder zweiten (Walzel,Weilen) Schüler-Gene-
rationWilhelmScherers an, derdasFachüber Jahrzehnte hinweg sowohl
methodisch als auch institutionell und wissenschaftspolitisch bestimmt
hatte.FürWalzelundWeilensprachimSinneeinerAufrechterhaltungder
bislangselbstverständlichenprofessoralenErbfolgeaußerdem,dass sie sich
bei JakobMinor habilitiert hatten.Doch der traditionelle Berufungsme-
chanismus, demzufolge einSchülerdes scheidendenOrdinarius zudessen
Nachfolger gewählt wurde, ließ sich nach demTod JakobMinors nicht
mehr reproduzieren. Auch eine Berufung anhand der beiden anderen
nalbrief vonSchmidtbefindet sichnichtbeidenUnterlagen, sein Inhaltgehtaber
aus demProtokoll hervor.
62 GutachtenSeemüllersüberdieNachfolgenachHofratMinorvom29.Dezember
1912;UAW,Phil. Fak., Zl. 494 ex 1912/13, PA1113WaltherBrecht.
I. Die Verfasstheit derWiener
Germanistik24
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher