Seite - 42 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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Brechtwardurch seinenLehrer undFördererRoethe, auchwenndie
Reaktionen auf seineBerufungnachWiendas glaubenmachenkönnten,
von der Wiener Scherer-Schule zunächst nicht sehr weit entfernt. Tat-
sächlichwares langeZeitmöglich,GustavRoethe„nebenErichSchmidt“
als „bedeutendste[n] Schüler Wilhelm Scherers“ zu bezeichnen.120 Als
Roethe1902andieBerlinerUniversität, dasdeutsche „Hauptquartierder
Scherer-Schule“121, berufenwurde,umnebendemNeugermanistenErich
Schmidt das ältere Fach zu vertreten, rekurrierte er gerade auch auf diese
Traditionslinie:
IchdenkeindieserStundebewegtdesMannes,derunsbeidensoteuer istund
dermirdermächtigstegeistigeWeckerwar,WilhelmScherers.Undwennsich
mir durchmanchen ernsthaftenZweifel auch ander eigenenKraft doch ein
stolzes Glücksgefühl durchzuringen beginnt, da ich vorwärts schaue, so
wurzelt es in dem Bewußtsein, daß ich zu den Männern, an deren Wir-
kungsstätte ich künftig lehren soll, zu Lachmann und Jac.Grimm, zuMül-
lenhoff und Scherer gehöre, nicht durch meine Potenz, gewiß aber durch
meine Auffassung unsererWissenschaft, durch die Ziele undWegemeiner
Arbeit.122
Diese ,ZieleundWege‘ sahRoethe,der sich stets „zurFreudeundStrenge
rein philologischer Arbeit“123 bekannte, in einer klaren Ausrichtung der
Germanistik auf Textkritik, Editionstechnik, Quellen- und Einflussfor-
schung, Stoff- und Entstehungsgeschichte sowieMetrik und Poetik. Ab
1891 zeichnete Roethe gemeinsammit Edward Schröder verantwortlich
für die Herausgabe derZeitschrift für deutsches Altert[h]um und deutsche
Litteratur,erwarab1890anderNeubearbeitungderGrammatikvonJacob
Grimm, an derWeimarer Ausgabe derWerke JohannWolfgangGoethes
und 1908 an der Reorganisation desDeutschenWörterbuchs beteiligt; ei-
genegrößereArbeitenbliebendabei jedochaus.124RoethesAuffassungvon
120 Osterkamp:„VerschmelzungderkritischenundderdichterischenSphäre“(1989),
S. 348. – Roethe hatte zunächst zwar nicht bei Scherer studiert, sondern in
GöttingenundLeipzig, ging aber 1880nachBerlin,wo erdie „wissenschaftliche
und persönliche Förderung vonWilhelmScherer“ erhielt. Gohl:Die erstenOr-
dinarien amGermanischen Seminar:GustavRoethe (1987), S. 785.
121 Judersleben: Philologie alsNationalpädagogik (2000), S. 100.
122 Scherer/Schmidt:Briefwechsel (1963),S.320(Brief vonRoetheanErichSchmidt
vom14.Dezember 1901).
123 Roethe: Leipziger Seminarerinnerungen (1923), S. 8.
124 Bereits 1894 schriebRoethe anSchröder: „Das ,dickeu. schöne‘Buchbringe ich
[…] eben nicht fertig.“ Roethe/Schröder: Regesten zum Briefwechsel (2000),
Bd.1,S.584.–MitdieserEinschätzungsollteRoetheauch inderFolgezeitRecht
I. Die Verfasstheit derWiener
Germanistik42
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher