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philosophischen Fakultät 2.906 Studierende, darunter 929 Frauen, in-
skribiert und in Brechts letztemWiener Semester, im Wintersemester
1925/26gabes fastdoppelt sovieleHörerundHörerinnenwiebei seinem
Amtsantritt, nämlich insgesamt3.857,darunter1.147Studentinnen, also
etwas weniger als 30 Prozent.225 In den Erinnerungen der männlichen
Kommilitonen waren es freilich viel mehr Frauen: „[T]he lecture room
whereProfessorWalterBrechtheldhis lecturesonhistoryof literature[…]
was crowded, but crowdedwith girls“, schrieb ErnstWaldinger 1965.226
Und Józef Wittlinmeinte gar, dass diemännlichen Studierenden in der
absoluten Minderheit gewesen wären: „Die Vorlesungen von Professor
Brecht, im ersten Jahr des erstenWeltkrieges, erfreuten sich großer Be-
liebtheit, besonders beidenHörerinnen.Männer gab esdortwenig, es ist
also nicht zu verwundern,wenndiese sofort auffielen.“227
Auchwenn sich zu den Studenten in den 1910er und 1920er Jahren
nicht ganz so viele Studentinnen gesellten, wie die Erinnerungen von
Waldinger undWittlin vermuten ließen, sowardasAusmaß vonBrechts
Betreuungspflichten doch enorm:Während JakobMinor in 26 Jahren
insgesamt 361Dissertationen, also imSchnitt nicht ganz 14pro Jahr, als
Referentbeurteilte,228stiegdieZahldervonBrechtbetreutenPromotionen
inderneuerenAbteilung inden1910erund1920erJahrennahezuaufdas
Doppelte an. In zwölf Jahren begutachtete Brecht als Referent 316Dis-
sertationen, alsodurchschnittlich26pro Jahr, alsKoreferent noch einmal
111Dissertationen,alsodurchschnittlichneunproJahr.229Dabeihandelte
es sich um eine Arbeitsbelastung, die selbst seinen früheren Förderern
Gustav Roethe und Edward Schröder Respekt abverlangte (auch wenn
diese von einer etwas höherenZahl ausgingen). Am4. Juni 1925 schrieb
Schröder an Roethe über deren ehemaligen Schützling: „[G]rausige Ar-
beitsüberhäufung! 600Dissertationen in 12 Jahren!“230
225 DieangegebenenStudierendenzahlenumfassenordentlicheundaußerordentliche
Studierende und sind den einzelnen, semesterweisen Vorlesungsverzeichnissen
entnommen, indenen sich amEnde jeweils eine „SummarischeÜbersicht der an
der UniversitätWien inskribierten ordentlichen und außerordentlichenHörer“
befindet.
226 Waldinger:MyViennaUniversityCareer (1965), S. 84.
227 Wittlin: Erinnerungen an Josef Roth (1949), S. 49.
228 Faerber: Ich bin einChinese (2004), S. 155.
229 DieZahlenwurden ermittelt nachUAW,Phil. Fak.,Rigorosenprotokolle 1914–
1926.
230 Brief von Schröder an Roethe vom 4. Juni 1925; zit. n. Oels: „Denkmal der
schönstenGemeinschaft“ (2007), S. 33.
I.3. Philologie undmoderate Geistesgeschichte 65
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher