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Brecht gemeinsammit Dietrich Kralik undHeinz Kindermann heraus-
gab.237
VonbesondererBedeutungfürdenakademischenBetriebundsingulär
im deutschsprachigen Raumwar Brechts großer Erfolg bei seinem An-
sinnen, ihm förderungswürdig erscheinendeDissertanten zuAkteuren in
derUniversitätsgermanistik zumachen.Während sich in der älterenAb-
teilung im selbenZeitraumnur zweiWissenschaftler habilitierten,238war
Brecht von 1914 bis 1926 an nicht weniger als sechsHabilitationen be-
teiligt. Auffällig ist neben der Anzahl dabei zweierlei: zum einen die un-
terschiedlichen thematischen und methodischen Ausrichtungen ,seiner‘
Privatdozenten, die auf Brechts offene wissenschaftliche Haltung zu-
rückzuführen sind, zum anderen auch, dass sich unter den sechs Privat-
dozentenzweiPrivatdozentinnenbefanden,was jedochnichteinerexplizit
frauenfreundlichenPositionBrechtsgeschuldetwar.BrechtsEinstellungzu
FraueninderWissenschaftwarzwarnichtgrundsätzlichablehnendwiedie
vieler seinerKollegen;mitBlick aufdieBegebenheitendes akademischen
Betriebs, indemdieMitarbeitvonFrauendemPrestigeeinesUnterfangens
nicht unbedingt förderlichwar, nahmer aber eine vorsichtige bis abweh-
rendeHaltung ein. Beispielhaft dafür ist seineReaktion auf PaulKluck-
hohns Frage, ob sie versuchen sollten, die 1920 in Freiburg promovierte
Germanistin undDilthey-Spezialistin SigridGräfin vonder Schulenburg
als Referentin für dieDeutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft
und Geistesgeschichte zu gewinnen. Brecht antwortete: „Gegen die Schu-
lenburghabeichgarnichts,sagenurausErfahrungmitBezugaufweibliche
Beteiligung: Präzedenzfall zu vermeiden! Hat der ZsfdA239 ihre schroffe
Männlichkeit geschadet?“240 Dass sich bei Brecht auch zwei Wissen-
schaftlerinnenhabilitierenkonnten,waralso seiner insgesamt integrativen
undUnterschiede zulassendenHaltung geschuldet. Eine ,Schule‘ in dem
237 Das SammelwerkDeutsche Literatur. Sammlung literarischer Kunst- und Kultur-
denkmaler in Entwicklungsreihen war auf insgesamt 250 Bände konzipiert und
umfasste25verschiedeneReihen.MarianneBeyer-Fröhlichwarvon1930bis1936
Herausgeberin der ersten neun Bände der ReiheDeutsche Selbstzeugnisse; 1938
wurde sie entlassen und von Ernst Volkmann ersetzt. Brecht wurde ab 1937,
nachdem er inMünchen zwangsemeritiert wordenwar, ebenfalls nichtmehr als
Herausgeber genannt. Zu Beyer-Fröhlich vgl. die Erinnerungen ihres Sohns
MartinBeyer: AWetWorld (1997).
238 DietrichKralik undAntonPfalz.
239 Zeitschrift für deutsches Altertumunddeutsche Litteratur.
240 Brief von Brecht an Kluckhohn vom 3. bis 13. Februar 1923; DLAMarbach,
Bestand:DeutscheVierteljahrsschrift.
I.3. Philologie undmoderate Geistesgeschichte 67
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher