Seite - 69 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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Wissenschaftlich trat er1918mit einerDissertationüberHermannKurz,
1924 mit seiner Habilitationsschrift J.M.R. Lenz und die Deutsche Ro-
mantikundinFolgemiteinerlangenReihetheaterwissenschaftlicherTexte
hervor. 1927, nur drei Jahre nach Erhalt der Venia Legendi, wurdeKin-
dermann als Nachfolger Paul Kluckhohns ordentlicher Professor in
Danzig.Nach einemLehrstuhl inMünster übernahmer 1943die natio-
nalsozialistischeGründung des ,Zentralinstituts für Theaterwissenschaft‘
anderUniversitätWien.Kindermannwarvon1918bis1926Mitgliedder
Großdeutschen Partei in Österreich und trat früh, im Mai 1933, der
NSDAP bei. Er war ein glühender Anhänger der NS-Wissenschaft, un-
terzeichnete 1933dasBekenntnis der Professoren an den deutschenUniver-
sitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen
Staat, gab1939die ,Anschluss‘-AnthologieHeimkehr insReichherausund
war Lektor im ,Amt Schrifttumspflege‘ desNS-Ideologen AlfredRosen-
berg.1945wurdeKindermannentlassen,1954aberwiedereingestelltund
bis zu seiner Emeritierung 1969 erneutmit der Leitung desWiener In-
stituts fürTheaterwissenschaft betraut.246
Marianne Thalmann hatte 1918 beiWalther Brecht mit der Arbeit
Probleme der Dämonie in Ludwig Tiecks Schriften promoviert, bevor sie
1923 ihreHabilitationsschriftDerTrivialroman und der romantische Ro-
man vorlegte und 1924 als zweiteGermanistin nachChristineTouaillon
dieVeniaLegendierhielt.ThalmannführteinihrenForschungennichtnur
den wissenschaftlichen Terminus ,Trivialroman‘ in die universitäreWis-
senschaft ein, sondern leistetemit ihren Studien auch einenwesentlichen
Beitrag zur geistesgeschichtlich orientierten Romantikforschung in den
1920er Jahren. Während ihrer Wiener Zeit veröffentlichte sie darüber
hinauszuformalästhetischenundvonderKunstwissenschaftbeeinflussten
Fragestellungen zurGegenwartslyrik und zuHenrik Ibsen.247Außerdem
verfasste sie eine vitalistisch-biologistische Zeitdiagnose über das Drama
des 19. und frühen 20. Jahrhundert.248 1933 erhielt Thalmann inWien
nochdenTiteleinesaußerordentlichenProfessors, imselbenJahrnahmsie
der ideale Prototyp eines Nazi. Und tatsächlich – er wurdeNazi.“Wittlin: Er-
innerungen an Josef Roth (1949), S. 52.
246 ZuKindermann vgl. Peter: Theaterwissenschaft als Lebenswissenschaft (2009);
Peter/Payr (Hg.): „Wissenschaft nach der Mode“? (2008); Kirsch: Heinz Kin-
dermann– einWienerGermanist undTheaterwissenschaftler (1996).
247 Thalmann:GestaltungsfragenderLyrik (1925); dies.:Henrik Ibsen, einErlebnis
derDeutschen (1928).
248 Thalmann:DieAnarchie imBürgertum (1932).
I.3. Philologie undmoderate Geistesgeschichte 69
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher