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Habilitationgefordertwerdenmüsse“.Diese„Erschwerunggegenüberden
für männliche Bewerber bestehenden Bedingungen“ begründete die
Kommission in einemausführlichenGutachten folgendermaßen:
DieimZugedermodernenEntwicklung impolitischenLebendurchgeführte
Gleichstellung der Fraumit demManne kann nicht ohneweiteres auf aka-
demische Verhältnisse übertragen werden, denn sie hat Gleichheit der wis-
senschaftlichen Begabung der beiden Geschlechter weder zu ihrer Voraus-
setzung noch bietet ihre Durchführbarkeit eine Gewähr für die positive
Entscheidung dieser für dieZulassung vonFrauen zumakademischenLehr-
amte ausschlaggebendenFrage. […]
DieErfahrungen,diemitweiblichenStudierendenseit ihrerZulassungzuden
Universitätsstudiengemachtwurden, lassen jedoch tatsächlicheUnterschiede
inderdurchschnittlichenBegabungvonFrauenundMännernerkennen.Dem
weiblichen Geschlechte kommt im allgemeinen eine sehr gute Anlage zur
receptiven Aufnahme des dargebotenenWissens und sehr viel Strebsamkeit
undFleißzu,dieOriginalitätundbesondersdieSelbständigkeitdesDenkens
aber, die sich auch der Autorität des Lehrers gegenüber durchsetzt, sind bei
Frauen viel seltener als bei Männern zu finden. Auch scheint noch nicht
festzustehen, ob die Eignung der Frau für alleWissensgebiete eine gleich-
mäßige ist.SoistdieFrage,obdieBeurteilunghistorischerVerhältnissedurch
diePsychederFrauvondemselbenRange ist,wiediedesMannes,nochoffen.
DiecharakteristischenUnterschiedeindemTypusderdurchschnittlichen
Begabungerklären,daßaucheineguteArbeit,dieunterdemfrühenEindruck
desUniversitätsstudiumsundunterdemEinfluß einesDocenten entstanden
und durchgeführt ist, bei Frauen in viel geringerem Grade als bei ihren
männlichenKollegen die sichereGewähr für denBesitz gerade jener Eigen-
schaften gibt, die für denForscher und für denLehrer diewertvollsten sind.
In der Tat sind Originalität und Selbständigkeit des Denkens die we-
sentlichsten Bedingungen nicht allein für erfolgreiche produktive Arbeit
sondernauch fürdenakademischenUnterricht, dernicht inderWiedergabe
der Ergebnisse derWissenschaft allein bestehen darf, der vielmehr erst aus
derenVerarbeitung durch die persönliche Eigenart desDocentenWert und
Bedeutung erlangt.
[…]WillmanzueinembegründetenUrteil überdieEignungeinerFrau
zu dem akademischen Lehramte gelangen somüssen bindende Beweise ge-
fordertwerden, da dieGefahr eines Irrtums in derBeurteilung der Eignung
zumakademischenLehramte bei Frauennäher liegt als beiMännern.40
Diese Stellungnahme der philosophischen Fakultät ist aus mehreren
Gründen bemerkenswert. Zunächst zog die Kommission eine klare
Trennlinie zwischen politischen und akademischen Belangen und insis-
tierte auf einer Nichtübertragbarkeit verfassungsmäßiger Gleichheits-
40 Stellungnahme der philosophischen Fakultät zur Zulassung von Frauen zur Pri-
vatdozentur o.D. [2.Dezember 1919];UAG,Phil. Fak., Z. 558 ex 1919/20.
II. Christine Touaillon
(1878–1928)96
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher