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lässtTouailloneinklaresUrteil fällen:ChristianAugustVulpius’Romane
seien ihren„gänzlichwesensfremd“und„nurgeeignet, denGeschmackzu
verschlechtern“. (Touaillon 1919, 429–430) „[W]eniger tief alsVulpius,
aber immer noch tief genug unter BenedicteNaubert“ positioniert Tou-
aillondie „einförmig[en] undunkünstlerisch[en]“Romane vonFriedrich
ChristianSchlenkertundChristianHeinrichSpieß.(Touaillon1919,431)
IgnazAureliusFeßlergestehtsiezwarzu,dasser,wieNaubert,dieVernunft
überdieLeidenschaft stelle, jedochkönneermit ihrbezüglichder„Frische
undLebhaftigkeit desTemperaments“, der „Echtheit derGestalten“und
der Realistik ihres „pessimistische[n]Weltbild[s]“ nichtmithalten. (Tou-
aillon 1919, 429)
MitVeitWeber,der zeitgenössischundauch inderwissenschaftlichen
Forschung die größteAufmerksamkeit unter allenVerfassern historischer
Romaneerhaltenhatte,verbindedieAutorinzwardasselbeStoffgebietund
die Art der Benutzung historischer Quellen, aber in der literarischen
Ausgestaltungstündenseine„ungeheure[n]Metaphern“,„geschwollene[n]
Redenundabgeschmackte[n]Vergleiche[ ]“ ihrer „einfachen, natürlichen
[…] Sprache“ gegenüber. (Touaillon 1919, 427)74 So sei es nichtWeber,
sondernNaubert gewesen, die im18. Jahrhundert „denGeschichtsroman
recht eigentlich in Schwung gebracht“ (Touaillon 1919, 434) habe; auch
wenn sie in der Literaturhistoriographie „gar nicht“ oder „nicht ihrer
Bedeutung entsprechend“gewürdigtwerde. (Touaillon1919, 440)
DassNaubert eine derartigeHöhe literarischen Schaffens überhaupt
erreichenkonnte, erklärtTouaillondamit,dass sichbei ihr „[v]ielweniger
deutlich als bei den anderen Schriftstellerinnen dieser Zeit […] dieGe-
schlechtszugehörigkeit“ zeige. So deute eigentlich, wie auchwährend der
Zeit ihrerAnonymität vermutet, vieles auf einenMann alsVerfasser hin:
die „Freude an der Tat“, das „Ausweichen vor der Empfindung“, die
„Bevorzugung männlicher Helden“, die „Ablehnung familiärer Stoffe“
ebenso wie die „Bestimmtheit und Energie des Tones“. Dazu habe „zu
ihrem Besten und dem des deutschen Romans“, wie Touaillon betont,
nichtnurdie „ErziehungdurchMännerhandundMännergeist“, sondern
74 DenVergleichmitWeber nimmtTouaillon auch zumAnlass, dasWerturteil des
LeipzigerProfessors fürGermanistik,AlbertKöster, zurückzuweisen:Dieserhatte
1897 im Anzeiger für deutsches Altertum behauptet, dass Webers Werke die
„Echtheit des Kolorits“ auszeichne, Naubert aber „mit tausend Anachronismen
undVerstößengegenStilundEmpfindungsweisederälterenZeit“erzähle,was, so
Touaillon, nichts anderes heißt, als „ihn zu einer ungerechtfertigtenHöhe hin-
aufzuschrauben, ihr aber schweres Unrecht zu tun“. Touaillon: Der deutsche
Frauenromandes 18. Jahrhunderts (1919), S. 428.
II.2. Literatur-, Kultur- und Sozialgeschichte 111
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher