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Schlegels Abneigung gegen Schiller begründet wissen will. (Touaillon
1919,484–485)UndauchClemensBrentano,derbekanntermaßen„von
Frauendichtungüberhauptnichtshielt“(Touaillon1919,486),verspottete
in seiner 1800publiziertenLiteratursatireGustavWasaWolzogensBuch.
Diese Ablehnung der Romantiker beruhte, so Touaillon, jedoch auf Ge-
genseitigkeit; so habeWolzogenZeit ihres Lebens darauf geachtet, „den
neuen [romantischen, E.G.] Romanen ,voll zerrissener und verkehrter
Menschheit‘“ ihren „,einfachen Rechts- und Liebessinn‘“ gegenüberzu-
stellen,um–ganzimSinnedesKlassizismus–mitihrenWerken„dasGute
zubefördern“. (Touaillon 1919, 500)
Im letzten Abschnitt ihrer großen Studie beschäftigt sich Touaillon
schließlich mit romantischen Elementen im deutschen Frauenroman,
wobei sie sowohl auf Dorothea Schlegel als auch auf die von ihr als Ent-
deckungporträtierteAutorinKarloineAugusteFischer eingeht.Dorothea
Schlegel werde laut Touaillon als „einzige offizielle Vertreterin des ro-
mantischen Frauenromans“ gehandelt, sei aber ihrem Wesen nach ei-
gentlichvongänzlich„unromantische[r]Natur“gewesen.(Touaillon1919,
557) Vielmehr habe sie, so Touaillon, Zeit ihres Lebens mehr von den
rationalistischen Ansichten ihres VatersMosesMendelssohn als von den
romantischenIdeen ihres zweitenMannesFriedrichSchlegelgehaltenund
sei nur aufgrund einer bemerkenswerten „Unselbständigkeit imDenken“
undeiner„bedingungslosengeistigenHingabeandengeliebtenMannund
seinenKreis“derRomantik zuzuordnen. Sowürden sich Schlegels litera-
rischeWerke vor allem als Zeugnisse eines „künstlerischenZwiespalt[s]“
lesen lassen; das 1801 publizierte Romanfragment Florentin zeige, dass
Dorothea Schlegel dort, wo sieGedanken undTendenzen aussprach, ro-
mantischenKonzepten folgte,beidereigentlichkünstlerischenArbeit,der
„Schöpfung vonGestalten“und der „Verkörperung vonEmpfindungen“
aber die Vernunft die Oberhand gewann. (Touaillon 1919, 559–560)
Überhaupt lasse sich in demRoman, soTouaillon, „keine Spur vondem
überwältigenden Tönerauschen, der erschütternden Lebensklage, dem
hinreißendenNaturgefühl derRomantik“ finden; erwirke viel eher „wie
die Probe eines geschickten Rechners, der die romantischen Regelnmit
dem Verstande aufnahm“ (Touaillon 1919, 572), weshalb „von einer
selbständigen BedeutungDorotheas gar keine Rede sein“ könne und sie
ihre im Vergleich zu anderen Autorinnen große Beachtung durch die
29.Dezember1797äußerte.DerBriefwarTouaillonzugänglichbeiWalzel (Hg.):
FriedrichSchlegelsBriefeanseinenBruderAugustWilhelm(1890),S.337–343.
II.2. Literatur-, Kultur- und Sozialgeschichte 115
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher