Seite - 180 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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Richterbemerkte, „garnichtnachWunschdurchbringenkonnte“129,blieb
Thalmann in denUSA. Sie lehrte amWellesleyCollege zunächst als As-
sociate Professor, ab 1940 als Full Professor of German, emeritierte
ebendort 1953 und verbrachte ab 1962 ihre letzten Lebensjahre in
München,wo sie am5.Oktober 1975 starb.130
In ihrerWienerZeithatte sichThalmannzunehmendderpolitischen
Rechten zugewandt; als „leidenschaftliche Deutschnationale“131 war sie
zeitweiligVorsitzendeimgroßdeutschausgerichtetenStändebunddeutscher
Frauen in Österreich,132 Mitglied des deutsch-arischen Reichsverbandes
deutscher Frauenvereine,133Aktivistin derNationalen Frauen- undGrenz-
landbewegung134undbei derNationalratswahl 1930 inWienKandidatin
für die politisch-militante Gruppierung der österreichischenHeimwehr,
den ,Heimatblock‘.135Undauchmit derEmigration, bei der es sich trotz
anderslautender Aussagen keinesfalls um eine politisch oder ,rassisch‘ be-
129 Richter: Summedes Lebens [1940] (1997), S. 137. –VonEliseRichter stammt
auch der einzigemir bekannte zeitgenössischeHinweis auf ThalmannsHomo-
sexualität. Richter schrieb, dassmanThalmann „perverseNeigungen nachsagte“
(ebd.).InallenanderendurchgesehenenBriefenundDokumentenspieltdieskeine
Rolle, wasmit der in den 1920er und 1930er Jahren noch vorherrschendenAn-
schauungzutunhabenmag,dassFrauen,diesichderWissenschaftwidmen,nicht
auch noch Ehefrauen und Mütter sein dürfen. Homosexuelle Beziehungen
scheinen dieser ,Zölibatsregel‘ für ,gelehrte Frauen‘, die eigentlich einer patriar-
chalenGesellschaftsauffassung entsprang, nichtwidersprochen zuhaben.
130 Zu den Angaben die akademische Position Thalmanns amWellesley College
betreffendvgl.WellesleyCollegeArchive,BiographicalFilesMarianneThalmann.
131 Richter: Summedes Lebens [1940] (1997), S. 137.
132 Planer (Hg.): Das Jahrbuch derWiener Gesellschaft (1928). –Der Ständebund
gehörtedemdeutschnationalausgerichtetenReichsverbanddeutscherFrauenvereine
an.Urban:DieEntwicklungderösterreichischenFrauenbewegung (1930),S.61.
133 Vgl.denBriefvonMarianneThalmannanJosefNadlervom20.Oktober1926,in
demsieNadlerumseineSchriften fürdievom„Reichsverband“gegründete „erste
deutsche Bücherei für berufstätige Frauen inWien“ bittet und als „Vorsitzende“
unterschreibt;ÖNB,Handschriftensammlung, 409/30–2. –DerReichsverband
deutscher Frauenvereine wurde 1923 als „Zusammenschluß deutsch-arischer
Frauenvereine“ gegründet. Gehmacher: „Völkische Frauenbewegung“ (1998),
S. 39.
134 Nach eigenenAngaben vonThalmann in: Kosch:Deutsches Literatur-Lexikon.
Bd. 2 (1930), Sp. 2695.
135 [Anonym:]DieWahlbewegung (1930); auch nach eigenen Angaben vonThal-
mannim„FacultyQuestionaire“vomSeptember1946;WellesleyCollegeArchive,
Biographical FilesMarianne Thalmann. – ZumHeimatblock vgl. Nimmervoll:
Der Heimatblock imNationalrat der Ersten österreichischen Republik (1993).
III.Marianne Thalmann
(1888–1975)180
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher