Seite - 233 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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nur aufgrund der Privatdozenten gewährleistet werden konnte, zum an-
deren führte dieseDisproportion aber auch zu einer klaren Statusschwä-
chungdieserakademischenBerufsgruppe.WardiePrivatdozenturbis zum
Beginn des 20. Jahrhunderts eine zeitlich begrenzte Übergangsphase ge-
wesen,aufdiemithoherWahrscheinlichkeitnachAblaufwenigerJahredie
Professur folgte, soerhielt inden1920erJahrennurnocheinBruchteilder
Privatdozenten tatsächlich einen Lehrstuhl. Dass die Privatdozentur im
erstenDrittel des 20. Jahrhunderts keineAussichtmehr auf eineUniver-
sitätskarriere garantierte, führte zu einem massiven Prestigeverlust, der
mitverantwortlich dafür war, dass nun auch Frauen zur Privatdozentur
zugelassenwurden.
Walther Brecht verließ die Wiener Universität 1926 aufgrund der
hohenArbeitsbelastung an derGermanistik, woraufhin sein langjähriger
Freund undKollege PaulKluckhohn seineNachfolge antrat. Kluckhohn
förderteBrechts Schüler,PrivatdozentenundPrivatdozentinnen indessen
Sinneweiter und führte einen vonBrechts Schülern,HansRupprich, zur
Habilitation. Habilitationen von Frauen fanden während Kluckhohns
kurzerWienerAmtszeit,dienurbis1931andauerte,nichtmehr statt.Ein
klares Ende der Privatdozentur von Frauen lässt sich aber erst mit der
BerufungJosefNadlersimselbenJahrerkennen.Nadlergaltalsunkollegial
und schwierig; tatsächlich versuchte er bereits kurz nach seinem Amts-
antritt, die den Extraordinarien vorbehaltenen Proseminare an sich zu
ziehenunddieSchüler seinerVorgängerzubehindern.MitAusnahmevon
HansRupprichverließensiedannauchallezuBeginnder1930erJahredie
WienerUniversität.Mit denAnforderungendesMassenstudiumskonnte
Nadler jedoch ausgezeichnet umgehen; er hielt seineVorlesungen in den
größten Hörsälen der Universität, und die Attraktivität seiner Lehrver-
anstaltungenfürStudierendewarmitausschlaggebenddafür,dass1935das
AuditoriumMaximum gebaut wurde. Doch obwohl Nadler weit mehr
Dissertationen betreute als alle seine Vorgänger, konnte sich im neueren
Fachwährendder 14 Jahre seinerWiener Professur nicht nur keine Frau
habilitieren, sondern überhaupt keinWissenschaftler.
DieersteinWienhabilitierteGermanistinwarChristineTouaillon,die
imWintersemester 1897 zu den ersten Studentinnen derUniversität ge-
hörte und ihr Studium 1905 bei JakobMinor abschloss. Touaillon ver-
suchte zunächst, anderUniversitätGraz zurPrivatdozentur zugelassen zu
werden.Wie die Analyse dieses Verfahrens zeigt, scheiterte ihr Ansinnen
nichtnurander explizitmisogynenHaltungderGrazerFakultät, sondern
auch an einemMachtkampf zwischenUniversität und staatlicherUnter-
richtsbehörde.Währendman sich staatlicherseits für dieGleichberechti-
Resümee 233
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher