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an den übersezzer.
Freundlich geliebter Herr Schmid ; Der Herr kompt zum Bettelmann vmbs Al-
mosen/ wann er fordert/ daß Jch sein/ Mir zugeschikktes Büchlein/ übersehen/
vnd etwann hier vnd dar verbessern solle. Jch gehe selbst nach solchem Brodt/
vnd suche eine Weißheit/ an der mich aber/ (weiß nit/ welches mehr ?) das hart-
verspürte Glükk/ oder die angeborne vngeschikklichkeit/ schon fast verzweiffeln
machen. Könte also leicht ver<X>künsteln/ was der Herr gut gemacht. Weil Er
mich aber beschworen/ vnd auff alle weise will mein Vrtheil haben/ so nehm
Er Jhm von meiner Armuth ! Harte Rinden habe Jch ; die Jch nach vnd nach
erbettle/ vnd die gieb Jch. Mich wundert aber/ daß der Herr vmb solche/ in so
öde Gräben kommen/ vnd die feisten Wiz-Kucheln desselben Wiens vmgehen
will/ da (eben/ wie mehr Wein/ als Wasser) mehrers Weise/ als einfältige Leüth
sind. Jch hör ja öffter ob der Mänge/ als wie anderswo/ dem Ab<XI>gang klagen :
Man weiß zwar immer nit/ wer dorten Weis ist : dann die Gelehrten/ (zweiffels
ohn/) sind Weis : die aber Reich vnd Vngelehrt/ sind gleichwol Weis geachtet ;
vnd diese ziehen vor : viel der andern hab Jch darben sehen. Jst also ein schö-
nes ding/ zweymahl Weis ; das were aber gar zu glükklich/ sein. Jch zwar liesse
Mir am ersten gnügen/ dann das verewigt sich in den Nachkömlingen ; da das
andere wieder-spielig/ jmmer auff den erst- vnd andern/ selten auff den dritten
Erben <XII> kompt. Mein zeug sey Salomon ! hatte dieser nit/ das alles beyde ;
aber schwande nie sein Reichtumb/ schon am ersten Erben/ dem Rehabeam ? da
hingegen weder die Babilonische gefängnus ; deß Antiochi Wüten ; oder die end-
liche zerstöhrung Jerusalems/ verwehren können/ daß seine Weisheit nit über
Meer vnd Land/ biß gar zu vns getrungen sey.
Was aber bißher gesagt/ ist nit dasselbe Vrtheil/ so der Herr von mir verlangt ;
dem Jch also zu vergnügung/ (mit Warheit) sage/ daß Mir seine übersetzung
wolgefallen ; <XIII> meistens darumb/ weil Er nit so sehr/ sich an die Wort/ als
den Verstand bindet. Viel der heutig-Neu-Teutschen/ fehlen offt gar sehr hier-
innen. Er fusse aber nit auff diesen Außspruch/ dann die Welt hat mehr Leut ;
deren jeder nach seinem bedunken vrtheilt : vnd wann Er Feind hat/ werden
solche an Jhm tadeln/ was Sie doch im Hertzen/ loben müssen ; bevorauß/ wann
Sie es entweder gar nit/ oder doch nit besser können. Es sind zweyerley Narren/
vnter denen/ die sich vor klug halten/ jhnen niemand meinen gleich sein ; <XIV>
vnd diese sind die ärgsten/ dann kein Heiliger kan jhnen recht thun. Die aber gar
nichts können/ wolten die gantze Welt/ wie Sie/ haben ; dann weil Sie von keiner
Tugend ; zwischen Thor- vnd Weisheit also nit zu vnterscheiden wissen/ können
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
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- Titel
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 170
- Schlagwörter
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Kategorien
- Weiteres Belletristik