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Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
sche Auseinandersetzung zwischen den konfessionellen Parteien zusehends verhärtet
werden. Setzt sich um 1580 der landsässige Adel des Erzherzogtums unter der Enns
noch bis zu 90 Prozent aus Protestanten zusammen, wobei der Herrenstand den Rit-
terstand im Hinblick auf diese Verteilung noch übertrifft, so nimmt bereits im Laufe
der folgenden 40 Jahre der Anteil von Anhängern der lutheranischen Konfession in
der Bevölkerung insgesamt und im Adel besonders kontinuierlich ab.33 Wenn auch im
Gegensatz zu den anderen österreichischen Erbländern Niederösterreich – und da-
mit seine Hauptstadt Wien – zunächst von den Ausweisungen des nichtkatholischen
Adels weniger betroffen ist, so verlieren doch nach der Schlacht am Weißen Berg die
protestantischen Adelsfamilien zunehmend an Einfluss und werden aus den wich-
tigsten politischen Funktionen verdrängt.34 Um die in ihren entscheidenden Punkten
von der Gegenreformation geprägte und von den kirchlichen Institutionen angeregte
kaiserliche Politik durchzusetzen, bedarf es einer systematischen Zurückdrängung
der Macht der Stände, welche organisatorisch und ideologisch in reformatorischen
Strukturen verwurzelt sind. Die Betroffenen sehen sich daher vor die Alternative ge-
stellt, sich entweder der Konvertierung zum Katholizismus zu unterwerfen und damit
zu einer weiteren Schwächung der protestantischen Bewegung beizutragen oder aber
das Land und die in ihrer kompromisslosen Haltung verharrenden Glaubensgenossen
zu verlassen. Es kommt daher im Zuge der mit politisch-militärischer Unterstützung
durchgeführten konfessionellen Vereinheitlichung zu einer schrittweisen Disziplinie-
rung der Wiener Bevölkerung :
Mit der Ausweitung der »Policey« eng verknüpft und von ihr nicht zu trennen sind die
Bemühungen des Kaisers, konfessionelle Uniformität in seiner Haupt- und Residenzstadt
zu erzwingen. Nach den militärischen Erfolgen der frühen 1620er Jahre wurde eine syste-
matische Rekatholisierungskampagne eingeleitet, die in ihrer Intensität weit über die ge-
genreformatorischen Bemühungen der vorangegangenen Jahrzehnte hinausging. Bezeich-
nenderweise nahm die niederösterreichische Regierung, insbesondere unter Ferdinand III.,
die Gegenreformation politisch in ihre Hand, während die Kirche lediglich ihre fachliche
und organisatorische Kompetenz zur Verfügung stellte. Letztlich waren es säkularisierende
und resakralisierende Elemente, die eine Symbiose eingingen, die insgesamt modernisierend
wirkte.35
33 Vgl. Gustav Reingrabner : Adel und Reformation. Beiträge zur Geschichte des protestantischen Adels
im Lande unter der Enns während des 16. und 17. Jahrhunderts. St. Pölten 1976, S. 14.
34 Vgl. Kurt Piringer : Ferdinand des Dritten katholische Restauration. Diss. Wien 1950, S. 1.
35 Weigl : Die »Hauptstadt« Wien und der Dreißigjährige Krieg, S. 25.
Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 170
- Schlagwörter
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Kategorien
- Weiteres Belletristik