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Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
vergangenen Jahrzehnten stets das »Kraftreservoir« der protestantischen Bewegung in Wien
gebildet hatten. Der Stadt wurde durch diese Abwanderungen ein geschätztes ökonomisches
Potential von 300.000 Gulden entzogen.38
Wie aus den Testamenten dieser Zeit hervorgeht, bilden die Kaufleute sowohl zahlen-
mäßig als auch bezüglich ihrer Finanzkraft die bedeutendste gesellschaftliche Gruppe
unter den Wiener Protestanten. Weitere häufig genannte Berufe unter den luthera-
nischen Erblassern sind Leinweber, Schneider, Salzhändler und in den ersten Jah-
ren auch noch einzelne Hofbeamte. Sie alle unterstützen finanziell die Kirchen und
Schulen ihrer Gemeinden, deren bedeutendste Hernals ist, das unter dem besonderen
Schutz der adeligen Familie Jörger steht. Da eine theologische Ausbildung in der re-
formierten Konfession in Österreich nicht möglich ist, finanzieren diese Stifter auch
das Studium künftiger Wiener Pfarrer in Wittenberg.
Die den auswandernden Protestanten in der beschriebenen Weise abgezwungenen
Gelder werden zur Befestigung der Stadt verwendet, wodurch ein weiterer Aspekt der
durch den Krieg bedingten Geschlossenheit nach innen und außen zum Tragen kommt :
Am 20. März 1625 wurde angeordnet, dass sich alle Einwohner Wiens binnen vier Monaten
in der katholischen Religion zu unterrichten hätten, und am 14. September 1627 verfügte ein
kaiserliches Generalmandat die Ausweisung aller protestantischen Prediger und Schulmeis-
ter. In dieser Verordnung wurde auch das Lesen nicht katholischer Bücher und jede geheime
Zusammenkunft unter Strafe gestellt. Viele, die ihrer religiösen Überzeugung treu blieben,
verließen die Stadt, eine genaue Zahl der Exulanten ist allerdings nicht feststellbar, nur die
Abfahrtsgelder, die man für den Bau der Fortifikationen erlegen musste, machen Aussagen
über die Dimensionen dieser Abwanderung. Betrugen diese Abfahrtsgelder 1620 nur 609
Gulden, so erreichten sie mit 24.446 Gulden im Jahr 1625 einen Höhepunkt.39
Die bereits erwähnte protestantische Gemeinde von Hernals, zu dieser Zeit ein Vorort
von Wien, scheint eine ähnliche symbolträchtige Funktion zu haben wie Charenton
in Frankreich. Raupach berichtet enthusiastisch und wohl ein wenig übertrieben über
den Zulauf zu den evangelischen Messen rund um Wien, in den Schlössern von Her-
nals, Inzersdorf und Rodaun :
Der Zulauf aus der Stadt Wien war fast unglaublich, indem sich die Einwohner derselben
bey vielen tausenden hinaus begaben, das Wort GOttes zu hören. Jnsonderheit wird von
38 Stögmann : Staat, Kirche und Bürgerschaft, S. 547.
39 Vocelka : Kirchengeschichte, S. 330.
Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 170
- Schlagwörter
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
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