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120 Der Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
gression entgegentreten muss. Die bis 1648 getroffenen Anordnungen werden nicht
nur aufrechterhalten, sie werden sogar noch verschärft und auf weitere Einrichtungen
ausgedehnt, um die letzten noch in der Stadt lebenden Protestanten durch Zwang zu
bekehren oder zu verjagen :
Am 7. XII. 1650 wurde eine Konferenz zwischen Regierungsräten und dem Bischof von
Wien einberufen, welche über eine Reformationskommission in der Stadt zu beraten hatte.
Rektor und Konsistorium der Universität wurden am 17. II. 1651 aufgefordert, die an der
Universität bediensteten unkatholischen Sollizitatoren, Dienstboten und deren Eheweiber
der Regierung mit Namen anzuzeigen. Ganz im Sinne der Patente aus den Jahren 1638 und
1645 erging am 3. IV. 1651 ein kaiserliches Reformationspatent, das sich vornehmlich mit
dem Verbot des Auslaufs befasste.49
Unter dem »Auslauf« ist die oben erwähnte Gepflogenheit der Protestanten zu ver-
stehen, ihre Messen sowie private Feiern religiöser Natur in Kultstätten jenseits der
österreichischen Grenzen, etwa nach Preßburg oder in andere grenznahe Orte des
Königreichs Ungarn zu verlegen.50 Laut diesen einschränkenden Bestimmungen dür-
fen nur mehr die Mitglieder des landständischen Adels, am kaiserlichen Hof weilende
Reichsstände und Reichshofräte akatholische Gottesdienste im Ausland besuchen.
Diese Reiseverbote gelten auch weder für das Personal bestimmter Amtsträger noch
für die Familien der ausländischen Kaufleute : »Frei reisen dürfen nur Agenten und
Gewaltträger der Reichshofräte, ferner derzeit im Land sesshafte, ›wirkliche, vogtbare
Landleuth’ und schliesslich die ›Niederlagsverwandten‹.«51
Eine nochmalige Verschärfung der gegenreformatorischen Maßnahmen setzt im
Jahr 1652 ein, als die Anzahl der sogenannten Unkatholischen in Wien insgesamt nur
mehr 537 Personen beträgt, und zwar im Kärntnerviertel 173, im Schottenviertel 189,
im Stubenviertel 127 und im Widmerviertel 48. Dabei handelt es sich vorwiegend um
Personen aus niedrigen sozialen Schichten :
Da die einstige protestantische Oberschicht die Stadt entweder verlassen oder dem auf sie
ausgeübten Bekehrungsdruck zumindest nach außen hin nachgegeben hatte, stammte der
Großteil der in den Jahren nach 1650 noch offen Unkatholischen aus unterprivilegierten Be-
völkerungsschichten, die bis dahin der Aufmerksamkeit der Gegenreformation entgangen
49 Piringer : Ferdinand des Dritten katholische Restauration, S. 112.
50 Daher die Attacke von Elias Schiller in Langius bilinguis. Das ist der zweizüngige Langius Oedenburgischer
Prediger (Wien : Johann Jakob Kürner 1653).
51 Piringer : Ferdinand des Dritten katholische Restauration, S. 114f.
Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 170
- Schlagwörter
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Kategorien
- Weiteres Belletristik