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127Der
Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Nach ca. drei Jahren, in denen die verbliebenen Protestanten Wiens einem in diesem Aus-
maß noch nie dagewesenen »Überwachungsregime« unterworfen worden waren, erstellten
die Kommissare ein vorläufiges Endergebnis in tabellarischer Form für alle vier Stadtviertel.
Von den anfänglich 537 als unkatholisch identifizierten Personen hatten sich 193 bekehrt, bei
112 bestand keine Hoffnung mehr, 31 Frauen, deren Männer katholisch waren, verweigerten
die Bekehrung, 155 Personen hatten sich heimlich aus der Stadt entfernt, 33 waren gestorben,
22 wurden aus der Reformation entlassen, und weitere 22 hörten noch die Informationen
an. Im Dezember 1654 erging eine kaiserliche Resolution, wonach die »Hoffnungslosen«
baldigst außer Landes geschafft werden sollten, um die Zahl der Unkatholischen weiter zu
reduzieren.61
Raupach62 führt als weitere Verschärfung der kaiserlichen Maßnahmen zwei neue
»Reformations-Patente« vom 18. September 1655 und vom 8. März 1657 an, wonach
die Hausbesitzer weiterhin protestantische Bewohner denunzieren und die österlichen
Beichtzettel als Bekenntnis zum katholischen Glauben einschicken müssen. Denn die
Osterbeichte und der daran anschließende Empfang der Sakramente werden zum ent-
scheidenden Kriterium konfessioneller Zugehörigkeit bzw. von Ungehorsam gegen
die Religionspolitik des Kaisers erhoben : »Seit dem Jahre 1656 war der Empfang der
Beichte und der Kommunion zu Ostern durch ein Regierungsdekret vorgeschrieben,
das auch eine ›gebührende Bestrafung‹ derjenigen, die nicht zur Beichte und Kommu-
nion gingen – der ›Ungehorsamben‹ –, vorsah.«63
Das illustriert auch die 1655 in Preßburg, der Hauptstadt des bis dahin den Pro-
testanten gegenüber toleranteren Königreichs Ungarn, gedruckte Verordnung Kaiser
Ferdinands III., worin die Einwohner der Stadt aufgefordert werden, die Religions-
kommissare zu unterstützen, um »irrige Seelen auf den wahren Weg der Seligkeit«
und »Ungehorsambe/ und Widersässige« zu »geziehmender Bestraffung« zu bringen.64
Das immer strengere gegenreformatorische Klima dieser Jahre manifestiert sich
auch deutlich in den Ereignissen rund um den bereits mehrfach erwähnten Johann
Wilhelm von Stubenberg auf der Schallaburg.65 Paul Winckler (1630–1686 ; ab 1662
als Der Geübte in der Fruchtbringenden Gesellschaft), der Neffe von Andreas Gryphius
aus Schlesien, den er ab April 1654 als Hauslehrer für seinen Sohn Rudolf Wilhelm
61 Stögmann : Staat, Kirche und Bürgerschaft, S. 562.
62 Raupach : Evangelisches Oesterreich, S. 469.
63 Vocelka : Kirchengeschichte, S. 332.
64 Vgl. Martin Bircher (Hg.) : Im Garten der Palme. Kleinodien aus dem Zeitalter des unbekannten Barock.
Wolfenbüttel : Herzog August Bibliothek 1992, Katalog Nr. IX. 9, S. 88.
65 Vgl. Peter Aichinger-Rosenberger : Die Schallaburg. Geschichte – Archäologie – Bauforschung. Weitra
2011.
Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 170
- Schlagwörter
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
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