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Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 53 -
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53Religion und Gewalt in den Revolutions- und Napoleonischen Kriegen 1799 royalistische Kolonnen in Florenz einrückten, sperrten sie alle »repu- blikanischen« Priester ein, da sie pro-französischer Sympathien verdächtigt wurden. In der Lombardei behauptete ein Bauer namens Viora Branda, im Traum habe Christus ihn dazu berufen, die ungläubigen Eindringlinge zu verjagen. Er gründete eine »Massa Christiana« genannte Bewegung und wies seine Anhänger an, sich den Österreichern anzuschließen und die Franzosen aus dem Piemont zu vertreiben. Wo Katholiken die Oberhand gewannen, konnten sie Vergeltung an jenen nehmen, die unter den Franzosen zu Macht und Ämtern gekommen waren. Im französisch besetzten Kalabrien wird sichtbar, wie diese antifranzö- sischen Bewegungen mitunter vom Klerus angeführt wurden, doch wäre der Umkehrschluss falsch, in allen Klerikern Gegenrevolutionäre zu sehen. Ganz im Gegenteil: So wie schon in Frankreich der unzufriedene niedere Klerus eine entscheidende Rolle in der Nationalversammlung und dem Sturz des Ancien Régime spielte, so stellte er auch in Italien, wie in anderen Tei- len Europas, einige der begeistertsten Anhänger der Revolution. In Mailand etwa pflanzten einige junge Seminaristen einen Freiheitsbaum; ebenso in Genua, wo Mütter angehalten wurden, dort ihre Neugeborenen zu weihen38. Zu Tarent heftete sich Erzbischof Giuseppe Capecelatro die republikanische Kokarde an und nannte sich »Bürger Erzbischof«. Gennaro Guevara Suardo, sein Amtsbruder aus Bari, segnete den von den örtlichen Jakobinern aufge- stellten Freiheitsbaum39. Im Aufstand der Sanfedisten war also mitunter das bizarre Spektakel zu verfolgen, wie die Gläubigen im Namen der Religion den »jakobinischen« Klerus niedermetzelten40. Im Rheinland und in Spa- nien gab es hingegen kaum revolutionäre Sympathien im Klerus, auch wenn Ausnahmen nicht fehlten. All dies war Teil eines Krieges der Ideen, der im ganzen besetzten Europa auch mit religiös-politischen Symbolen ausgefochten wurde zwischen revo- lutionären und  – in Ermangelung eines besseren Überbegriffs  – gegenrevo- lutionären Kräften. In diesen ideologisch-geistigen Kampf um Herzen und Köpfe der Menschen lassen sich auch die Wunder einordnen, welche die Gläubigen gesehen zu haben behaupteten  – insbesondere blinzelnde oder weinende Madonnen  – und die in der Regel Aufständen gegen die Fran- zosenherrschaft vorangingen41. Damit wird klar, dass die Gläubigen diese Wunder mit politischem Sinn erfüllten. Sie lassen sich als Reaktion auf die von den Franzosen propagierte Revolutionssymbolik verstehen  – Freiheits- bäume, Kokarden in den Farben der Trikolore, Phrygiermützen  –, die sich 38 Zum Folgenden vgl. Aston, Christianity and Revolutionary Europe, S.  239f. 39 Vgl. Blanning, The Role of Religion, S.  204. 40 Vgl. Antonio Lucarelli, La Puglia nel Risorgimento. La rivoluzione del 1799, Bari 1934, zitiert nach Blanning, The French Revolution in Germany, S.  214. 41 Vgl. ebd., S.  235–239.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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