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Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 73 -
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Seite - 73 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert

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73Von Gewalt und Märtyrertum die ein staatliches Diplom besaßen  – was ein derber Rückschlag für den »freien« (d.h. katholischen) Grundschulunterricht, in der Regel in Kongre- gationsschulen, bedeutete. Allerdings konnte zur Schulzeit weiterhin gebetet werden, religiöse Symbole waren gestattet und jegliche Kritik von Lehrern am Glauben oder der Kirche verboten. Das Schulgesetz war zweifellos anti- klerikal, aber es war nicht antireligiös; Jacques Lory spricht gar von einer »konfessionellen Neutralität«34. Bereits im Herbst 1878 hatte das Episkopat einen Hirtenbrief verfasst  – veröffentlicht wurde er erst am 29.  Dezember  – worin es die Erziehungsauf- gabe für sich beanspruchte und den Schulreformunterstützern die »Rache Gottes« vorhersagte35. Ein zweites Schreiben von Ende  Januar 1879 sprach von der Gefahr, der der christliche Glaube und der öffentliche Frieden unter der avisierten Schulreform ausgesetzt waren, untersagte den Besuch von Gemeindeschulen und referierte die Errichtung freier Grundschulen, welche die Gläubigen finanzieren sollten. Es war ein Paukenschlag, vor allem in den ländlichen Gegenden, die vorher kaum etwas von der Reform gewusst hat- ten. Nachdem die Bischöfe vergeblich versucht hatten, Leopold  II. vom ver- meintlich verfassungswidrigen Charakter des Schulgesetzes zu überzeugen, warnten sie in einem dritten Hirtenbrief, der unmittelbar vor der Bespre- chung des Gesetzentwurfs im Senat veröffentlicht wurde, vor der drohenden Verletzung der »religiösen Rechte des belgischen Volkes«; außerdem verbo- ten sie den Gläubigen den Besuch und die Unterstützung der Gemeindeschu- len36. Bischof Bracq von Gent ging diese pauschale Verurteilung zu weit, weil Nuntius Serafino Vannutelli befürchtete, dass eine derart rigide Haltung sich negativ auf die Kirche auswirken könnte. Sogar der päpstliche Staatsse- kretär rief zur Zurückhaltung auf. Vielleicht waren es die Worte Roms, die, gemeinsam mit der Befürchtung, ein Mangel an Barmherzigkeit könnte von der Öffentlichkeit missverstanden werden (vgl. den anfangs zitierten Brief von Charles Woeste), die politisch gemäßigten Senatoren dazu brachten, für das Gesetz zu stimmen. Trotz der besagten Aufrufe zur Mäßigung war das Episkopat unerbittlich. Mit den Instructions pratiques aux confesseurs (»Praktische Anweisungen für die Beichtväter«) untersagte es Katholiken den Besuch, die Errichtung und die Aufsicht von Gemeindeschulen  – alles unter Androhung der Verweigerung der Absolution. Damit führte jedes Engagement für den Gemeindeschulun- terricht zu einer religiösen  – und vor allem im ländlichen Raum einer sozi- alen  – Marginalisierung. Auch deshalb hagelte es Kritik auf die bischöfliche 34 Vgl.  Lory, La résistance, S.  730. Dahingegen sahen ultramontane Katholiken im Gesetz  u.a. ein »Dechristianisierungswerk«. Pierre Verhaegen, La lutte scolaire en Belgique, Gent 1905, S.  xiii. 35 Vgl. Deneckere, Geuzengeweld, S.  102. 36 Vgl. Lory, La résistance, S.  734.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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