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Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 88 -
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88 Eveline G. Bouwers Nadelstiche; wenn ein überregionaler Protest stattfand, dann im städtischen Milieu und unter Antiklerikalen. Die dürftige Mobilisierung der Katholiken hing  u.a. mit der Regierungsbeteiligung zusammen, wodurch Protestakte weniger notwendig waren, aber auch mit einem innerkatholischen Pluralis- mus, der die Gläubigen in Interessengruppen verteilte. Das alles änderte sich mit dem Schulgesetz von Pierre Van Humbeeck. War das katholische Lager anfangs noch gespalten, gelang im Laufe der Zeit die Konstruktion eines liberalen Feindbildes, das mithilfe von Begriffen wie »Geuse« und »Teufel« religiös aufgeladen und in eine längere Geschichte katholischen Leidens integriert wurde, die sich  u.a. in dem Kult der Heuler Märtyrer und in der semantischen Inszenierung eines Bürgerkriegs offenbarte82. Als Sündenbock dargestellt, wurde der Liberale zum Katalysator für die innerkatholische Versöhnung83. Glaube und Gewalt war auch ein wirkmächtiges Begriffspaar zur Steue- rung liberalen Handelns. Wie bereits das Beispiel der historischen Prozes- sion zur Erinnerung an 300 Jahre Pazifikation von Gent gezeigt hat, war der Katholizismus  – als Religion, vor allem aber als Kirche  – in liberalen Köpfen aufs engste mit Gewaltnarrativen verbunden. Zwar hat dieses Kapi- tel gezeigt, dass der katholische Widerstand gegen das Schulgesetz von 1879 neben gewaltlosen Praktiken des religiösen und materiellen Drucks auch von Gewalt begleitet wurde. Doch die Stilisierung aller Katholiken als inhärent fanatisch und potenziell gefährlich war eine Überspitzung, die zur Legiti- mierung liberaler Säkularisierungsmaßnahmen, wie das Gesetz vom 1.  Juli 1879, diente. Die von katholischen Gläubigen verübten Gewaltakte waren real, aber das Ausmaß des gewaltsamen Widerstandes wurde übertrieben84. Auch hier konstruierte man einen Sündenbock, um die Einheit der Gemein- schaft zu bewahren mit dem Ziel die eigenen politischen Vorstellung zu rea- lisieren  – was nach dem katholischen Wahlsieg von 1884 und der Einfüh- rung eines neuen Schulgesetzes notwendig war; das Gesetz Jacobs bedeutete de facto eine Rückkehr zum Stand von 1842 und ermöglichte es den Kom- munen  u.a. den freien Grundschulunterricht zu unterstützen sowie in den Gemeindeschulen Religionsunterricht anzubieten85. Dass die Schulfrage den- noch weniger Straßenproteste hervorbrachte, hatte teils mit der mäßigenden 82 Vgl. das Lied Der Teufel geht nach Brüssel oder das Geusengesetz vom 1879. 83 Ein ähnlicher Prozess wird beschrieben von René Girard, Das Heilige und die Gewalt, Düsseldorf 2006. 84 Das erinnert an die Idee, dass »religiöse Gewalt« ein »Mythos« zur Legitimierung einer von säkularen Akteuren vorangetriebenen Zivilisierungsmission sei. Siehe auch William T. Cavanaugh, The Myth of Religious Violence. Secular Ideology and the Roots of Modern Conflict, Oxford 2009. 85 Vgl. Deneckere, Nieuwe geschiedenis, S.  486–496.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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