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Sara Mehlmer
»Um Streitigkeiten zu vermeiden, […] wird
jene Moschee zerstört«
Religion und Gewalt im Grenzkonflikt bei Melilla, 1860–1863
Das nordafrikanische Grenzgebiet um die Exklave Melilla, die sich seit 1497
in spanischem Besitz befindet, war seit jeher von Ambivalenzen geprägt. Zum
einen gehörten Handel und Informationsaustausch mit den Nachbarn zum
Alltag und waren für die spanische Exklave sogar überlebenswichtig. Außer-
dem bot der Grenzübertritt für Personen beider Seiten die Möglichkeit, sich
dem (strafrechtlichen) Zugriff der eigenen Gemeinschaft zu entziehen, was
Migrationsbewegungen begünstigte1. Zum anderen aber war die Nachbar-
schaft um die Exklave permanent von Konflikten um Land, Ressourcen und
rechtliche Zuständigkeiten geprägt, die sich immer wieder gewaltsam entlu-
den. Der auf beiden Seiten der Grenze proklamierte religiöse Antagonismus
gegenüber dem Nachbarn konnte dabei phasenweise zu einer Verschärfung
der Grenzsituation beitragen. Schließlich galt der moro2 in Spanien seit
Jahr-
hunderten als religiöser wie säkularer Erbfeind – ein Bild, das unter ande-
rem der Konstruktion eines spanischen Nationalbewusstseins diente3. Aber
auch auf marokkanischer Seite war die Grenzlage zur Iberischen Halbinsel
1 Zur ambivalenten Situation der Grenzregion sowie den verschiedenen Migrations-
formen, ihren Veränderungen und Auswirkungen um 1860 vgl. mein Dissertations-
projekt: Sara Mehlmer, Grenzleben zwischen Religion und Realpolitik. Ceuta und
Melilla um 1860 [in Vorbereitung].
2 Der Begriff »moro« war und ist im Spanischen vielschichtig. Zum einen bezog er sich
auf die geographische Herkunft einer Person aus dem Maghreb, zum anderen auf
deren religiöse Zugehörigkeit zum Islam. Beides, geographische wie religiöse Zuge-
hörigkeit, war also semantisch eng miteinander verknüpft. Zur historischen Wortbe-
deutung vgl. La Academia Española (Hg.), Diccionario de la lengua castellana, Ma-
drid 101852, S. 464. Zum (überwiegend negativen) Bild des moro in Spanien vgl. Eloy
Martín Corrales, La imagen del magrebí en España. Una perspectiva histórica,
siglos XVI–XX, Barcelona 2002.
3 Vgl. Eloy Martín Corrales, El »moro«, decano de los enemigos exteriores de
España: una larga enemistad (siglos VIII–XXI), in: Xosé Manoel Núñez Seixas /
Francisco Sevillano Calero (Hg.), Los enemigos de España. Imagen del otro, con-
flictos bélicos y disputas nacionales (siglos
XVI–XX), Madrid 2010, S.
165–182 sowie
Patricia Hertel, Der erinnerte Halbmond. Islam und Nationalismus auf der Iberi-
schen Halbinsel im 19. und 20. Jahrhundert, München 2012.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918