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152 Sara Mehlmer
Am Nachmittag jenes 27.
Augusts war es zu einer Ansammlung bewaffne-
ter Riffbewohner gekommen, die sich in Richtung der Moschee begaben, wo
Häftlinge gerade mit Rodungsarbeiten beschäftigt waren45. Es kam zur kurz-
zeitigen Besetzung des Gotteshauses durch die Berber und zu einem blutigen
Gefecht. Laut einem spanischen Augenzeugen standen dabei rund 2000
Ber-
ber nur ca. 800 Spaniern gegenüber46. Während eine gewaltsame Auseinan-
dersetzung im Grenzgebiet zunächst nichts Ungewöhnlich war, zeigten sich
die Einwohner der Exklave doch beunruhigt angesichts des enormen Auf-
gebots der Berber. Als es darüber hinaus auch noch zu einer gewaltsamen
Erhebung berberischer Händler innerhalb Melillas kam, herrschte auf Seiten
der spanischen Garnison höchster Alarmzustand. Der Gouverneur berich-
tet hierzu:
Seit dem Morgen bemerkte ich, dass mehr moros als üblich dem städtischen Markt
zuströmten […]. Als der Angriff begann, sammelten sich diese, die unzweifelhaft
gemeinsame Sache mit denen von draußen machten, zum Aufstand, sie warfen ihre
Waren fort und schrien Krieg, Krieg den Christen47.
Der (angebliche) Versuch der Berber, die Stadt einzunehmen, schlug letzt-
lich fehl. Sämtliche Riffbewohner, die sich innerhalb der Stadt befanden48,
wurden unter Schlägen zusammengetrieben und schließlich inhaftiert49.
Diese Maßnahme erscheint etwas übertrieben angesichts der Tatsache, dass
die Händler unbewaffnet waren und sich unter ihnen auch Kinder befan-
den50, sie erklärt sich jedoch aus der allgemein angespannten Situation in
der Exklave. Der Aufstand im Inneren musste auf die spanische Bevölkerung
vor Ort ungleich bedrohlicher gewirkt haben als die gewaltsamen Ausein-
andersetzungen vor den Stadtmauern, schließlich bedeutete jener im Kern
eine akute Gefährdung der Sicherheit und damit letztlich der Existenz der
Exklave. Zugleich zeigt sich daran, dass auch die Riffbewohner in diesem
Konflikt zu ungewöhnlichen Maßnahmen griffen. Weniger ungewöhnlich
waren, so schildern es die spanischen Augenzeugenberichte, die Beschimp-
45 Der in zahlreichen spanischen Zeitungen abgedruckte Bericht zu den Ereignissen am
27.
August 1863 stammt aus der Feder des Gouverneurs von Melilla, Manuel Alvarez
Maldonado, der darin seinen Vorgesetzten über die Geschehnisse informierte. Der
Originalbericht ist im Hauptmilitärarchiv in Madrid überliefert; Maldonado an das
Generalkapitanat in Granada, Melilla, 28. August 1863, AGMM, Caja 0426, Leg. 6,
Carp. 10.
46 La Época, 2. September 1863.
47 Maldonado an das Generalkapitanat in Granada, Melilla, 28. August 1863, AGMM,
Caja 0426, Leg. 6, Carp. 10. Hervorhebung im Original.
48 Die spanischen Angaben zur Anzahl dieser Personen schwanken zwischen 93 und
99.
49 La Época, 2. September 1863.
50 Ebd. sowie La Iberia, 3. September 1863.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918