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156 Sara Mehlmer
Der Sultan entsandte zwar einen Pascha mit 150 Mann sowie seinen Bru-
der, Muley el-Abbás, um die Unruhen einzudämmen und die endgültige
Umsetzung der Grenzziehungen zu erreichen68, doch eine Bestrafung der
angeblichen Schuldigen erfolgte wohl auch aufgrund der zu geringen Trup-
penstärke nicht. Es bestehe kein Zweifel, hatte der britische Ministerresident
in Marokko, John Drummond Hay, bereits 1859 konstatiert, dass der Sul-
tan »keine Hundert Mann in Marokko auftreiben wird, die eine Kugel gegen
[die Riffberber] abfeuern würden aufgrund ihrer Verweigerung dessen, was
die gesamte Nation als eine Abtretung maurischen Territoriums ansehen
würde […]«69. Aber auch die spanische Drohung, man werde militärische
Verstärkung aus Málaga und Valencia nach Melilla schicken, wurde letzt-
lich nicht umgesetzt70. Die führenden Köpfe des Aufstands vom 27. August
flohen nach Frankreich bzw. ins von Frankreich besetzte Algerien71. Wenn-
gleich also die Auseinandersetzung schließlich mehr oder weniger im Sand
verlief, hinterließ sie doch in der Exklave einen dauerhaften Eindruck. Die
Tatsache, dass man die Leichname spanischer Soldaten »auf das Grausamste
verstümmelt« aufgefunden hatte, befeuerte insbesondere bei den Spani-
ern vor Ort die Furcht vor dem »brutalen moro« und weckte zugleich den
Wunsch nach Rache72.
Macht und Symbolik:
Die Zerstörung der Moschee im November 1863
Der Auslöser für den berberischen Angriff auf die Exklave ist wohl zunächst
schlichtweg in der spanischen Landnahme zu suchen, die im Sommer und
Herbst 1863 mit der Rodung des Geländes sowie den beginnenden Arbeiten
am Río de Oro konkrete Formen angenommen hatte. Dies bestätigt auch die
Aussage eines Anführers der angreifenden Berber, der erklärte, man beab-
sichtige, die spanische Inbesitznahme des Territoriums zu stoppen73. Merry
y Colom hob rückblickend vor allem die Abholzung der heiligen Feigen-
kakteen um die Moschee als Ursache für die Eskalation hervor74, was wie-
68 El Pensamiento Español, 7. September 1863.
69 John Drummond Hay, ohne Datum, ohne Ortsangabe, AHN, Exteriores, H 2075.
70 La Época, 7. September 1863.
71 La Época, 16. November 1863.
72 Merry y Colom an Muley el-Abbás, Tanger, 1. Oktober 1863, AGA (15)17 SAM,
81 / 00130.
73 Maldonado an das Generalkapitanat in Granada, Melilla, 28. August 1863, AGMM,
Caja 0426, Leg. 6, Carp. 10.
74 Merry y Colom in einem nachträglich eingefügten Kommentar zu einem Schreiben
an den spanischen Staatsminister (Marrakesch, 26. Juni 1863), zitiert nach Vilar,
Diario, S. 132, Fn. 1.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918