Seite - 157 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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157Religion
und Gewalt im Grenzkonflikt bei Melilla, 1860–1863
derum die Aussagen der aufrührerischen berberischen Händler innerhalb
Melillas bestätigten75. Der Gouverneur von Melilla befand sich nach eige-
ner Aussage seit August in permanentem Alarmzustand, und die Tatsache,
dass vermehrt Gruppen bewaffneter moros die Moschee aufsuchten, wertete
er als Versuch, jede Gelegenheit zum erneuten Angriff auf die Exklave zu
nutzen76. Das Gotteshaus wurde für die Spanier vor Ort offenbar mehr und
mehr zum Kern des Konflikts, den man folgerichtig mit dessen vollständiger
Zerstörung zu beenden suchte: »Um die Streitigkeiten zu vermeiden, die sich
unweigerlich daraus ergeben würden, dass moros spanisches Gebiet betreten,
um die Moschee zu besuchen […]«, so das entsprechende Abkommen zwi-
schen Muley el-Abbás und Merry y Colom vom 14.
November 1863, »werden
besagte Moschee zerstört und die Feigenbäume und Feigenkakteen, die sie
umgeben, gefällt«77.
Die Zerstörung der Moschee sowie die Planierung des sie umgebenden
Territoriums sollten, so wurde explizit festgelegt, von den marokkanischen
Truppen unter der Aufsicht Muley el-Abbás’ oder von den Angehörigen der
Stämme selbst ausgeführt werden. Ziel dieser Maßnahme war es, die aus der
Zerstörung unweigerlich resultierenden Ressentiments auf den Makhzen
(die marokkanische Regierung) oder die eigenen Stammesführer zu lenken
und nicht auf die spanischen Nachbarn. Die Verpflichtung zum persönli-
chen Einsatz der Berber beim Abriss der Moschee war dabei jedoch nicht nur
als Vorsichts-, sondern auch als Strafmaßnahme gedacht, angesichts derer
Francisco Merry y Colom zufrieden konstatierte: »Sehr tiefgreifend war der
Eindruck, den dieses Spektakel bei den Kabylen hinterließ, als die Truppen
des Sultans, angeführt von einem Prinzen, gesandt wurden, um den Tribus
den Willen einer christlichen Macht aufzuzwingen. […] heute wissen sie
nicht nur, dass wir selbst über ausreichend Mittel verfügen, um sie zu bestra-
fen, sondern dass wir sie sogar durch den Sultan bestrafen lassen können«78.
Nachdem Muley el-Abbás versprochen hatte, die Rodungen sowie die Zerstö-
rung der Moschee zu übernehmen und dafür Sorge zu tragen, dass die neuen
Grenzziehungen umgesetzt würden, veranlasste Merry y Colom schließlich
die Freilassung der seit mehr als zwei Monaten in der Exklave gefangengehal-
tenen berberischen Händler und Kinder79.
75 El Pensamiento español, 14. September 1863.
76 Maldonado an das Kriegsministerium, 30. September 1863, AGA (15)17 SAM,
81 / 00130.
77 Art. 3 des »Acuerdo relativo á la conservación de los nuevos límites de la plaza de
Melilla […]«, 14. November 1863, in: de las Cagigas, Tratados y convenios, S. 69.
78 Merry y Colom an den spanischen Staatsminister, Melilla, 19.
November 1863, zitiert
nach Jerónimo Becker, España y Marruecos. Sus relaciones diplomáticas en el
siglo XIX, Madrid 1903, S. 103f.
79 La Época, 16. November 1863.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918