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Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 207 -
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207Religion, Kindheit und Gewalt im kolonialen Neuguinea um 1900 Mädchen auf der Missionsstation heimlich »die schändlichsten Laster« ver- übten und dabei gleich »5  schwere Todsünden« begingen77. Während Schwes- ter Valeria in dem Brief nach Europa keine weiteren Details zu den angeblich beobachteten sexuellen Handlungen anführen wollte, tat sie sich sichtlich schwer, die Vorkommnisse zu erklären, welche durch die Anwesenheit der Missionare und Missionsschwestern nicht verhindert werden konnten und  – ihrer Interpretation der katholischen Morallehre zufolge  – das Seelenheil aller Beteiligten gefährdeten. Schließlich bot Schwester Valeria zugleich eine Rechtfertigung und eine Erklärung für die Ereignisse auf Tumleo: »Ich thue was ich kann, aber alles kann man nicht verhüten. Diese Sittenverderbnis ist den Heiden schon gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen. Daß man da manchmal strenge sein muß versteht sich ganz von selbst«78. Demnach ging es mit der Bestrafung eben auch darum, gegen das vorzugehen, was sie als sündhafte Neigung der Kinder deutete und welche sie zunehmend als ange- boren verstand. Ihrer Interpretation zufolge wiesen die involvierten »Knaben und Mädchen« nicht einfach nur die von Schwester Valeria absolut gesetzten katholischen Lehren und Normen von Moral zurück, sondern unterlagen gewissermaßen ihren sexualisierten Körpern, welche zunehmend als das »Andere« der kontrollierten »weißen« Körper von Katholiken und Katho- likinnen aus Europa konstruiert wurden. In diesem Zusammenhang war es Schwester Valeria offenbar ein Anliegen, ihre Vorgesetzten in Europa darü- ber zu informieren, mit welcher »Art« von Kindern sie es auf Tumleo zu tun hatte. Diese Kinder schienen für Schwester Valeria nichts von der Unschuld aufzuweisen, die in europäischen Konstruktionen von Kindheit seit dem 19.  Jahrhundert zunehmend betont wurde79. Sie schrieb an die Generalobe- rin im November 1901  – und damit etwas mehr als eineinhalb Jahre nach ihrer Ankunft auf Tumleo im März 1899: »Sie denken sich gewiß diese Klei- nen seien noch so unschuldige Engelchen, aber leider ist es nicht wahr so[.] Kinder von 2  Jahren sind schon verdorben. Das Laster der Unzucht scheint ihnen angeboren zu sein. Ehrw[würdige] Mutter, Sie können mir sicher glau- ben, ich spreche aus Erfahrung, Sie würden sich gewiß die Hände über dem Kopfe zusammenschlagen wenn ich Ihnen sagte welche Erfahrungen ich in dieser Beziehung schon gemacht habe. Kinder von 5–6 Jhr. wissen was in wie tief sie in sittlicher Beziehung stehen«; Sr.  Valeria Dietzen, 1.  August 1902, in: AG  SSpS PNG 6201, Korrespondenz 1899–1910. 77 Ebd. 78 Ebd. 79 Zur Sakralisierung von Kindheit allgemein, siehe auch Viviana Zelizer, Pricing the Priceless Child. The Changing Social Value of Children, New York 1985. Für den christlichen Kontext, siehe auch De Bellaigue, Faith and Religion, S.  155.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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