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Bahnfrevel von Trillick
Constitution zufolge waren die Ribbonmen nichts anderes als »bloße Werk-
zeuge in den Händen jener dunklen, blutrünstigen Organisation, in deren
Konklaven schon manches Menschenopfer dargebracht wurde«19.
Die extremistischen Oranier waren nicht die einzigen, die überall Rib-
bonmen ausmachen wollten. 1852 hatte die britische Regierung einen Unter-
suchungsausschuss ins Leben gerufen, der die Aktivitäten der Ribbonmen
am südlichen Rand der Provinz Ulster untersuchen sollte. Der Ausschuss
befragte kaum einen Zeugen, der nicht die Macht betonte, die die Ribbon-
Netzwerke auf dem Land besäßen. Die Logenbrüder, hieß es, schüchterten
Geschworene ein, wiegelten die Bauern auf und verübten Morde. Die meis-
ten Beobachter sahen auch eine Verbindung zu der »Irish Tenant League«,
die sich für eine Bodenreform einsetzte und sowohl unter katholischen als
auch unter presbyterianischen und anderen protestantischen Pachtbauern
auf der gesamten Insel beträchtliche Unterstützung erfuhr. Eine andere Ein-
schätzung kam von zwei erfahrenen Friedensrichtern, die eine Verbindung
zwischen dem Ausbau des Eisenbahnnetzwerks in Irland und der Ausbrei-
tung des Ribbonismus zogen. In den Worten George Fitzmaurices seien mit
den Bauarbeiten »schlechte Menschen von anderswo« in ehedem friedliche
Gegenden gelangt20. Andere Stimmen in der Grafschaft Tyrone argumen-
tierten ähnlich, indem sie hervorhoben, wie destabilisierend die zum Bau der
»Londonderry and Enniskillen Railway« herbeigeschafften Bauarbeiter auf
das Machtgefüge vor Ort gewirkt hätten. Etwa drohten im Juli 1853 katho-
lische Bahnarbeiter damit, eine in einem vier Meilen von Trillick entfernten
Dorf gelegene Kirche zu zerstören, wenn die orangene Fahne nicht eingeholt
würde. Mehrere Zeitungberichte beriefen sich auf diesen Vorfall, um ihre
konfessionelle Lesart der Entgleisung zu unterfüttern21. Zwar fehlen belast-
bare Hinweise darauf, dass die des Anschlags bei Trillick beschuldigten Bau-
arbeiter einer Ribbon-Gruppierung angehörten, doch gingen die Ermittler
zunächst von dieser Annahme aus. Es überrascht folglich wenig, dass auch
die protestantische Presse in Irland sofort auf eine konfessionell motivierte
Straftat schloss.
Mac Suibhne, The End of Outrage. Post-Famine Adjustment in Rural Ireland,
Oxford 2017, S. 17f., 53–77, 153–237; Niall Whelehan, Labour and Agrarian Vio-
lence in the Irish Midlands, 1850–70, in: Saothar 37 (2012), S. 7–17.
19 Tyrone Constitution, 22. September 1854.
20 Evidence of George Fitzmaurice, Report of the Select Committee of Outrages
(Ireland), HC 1852, (438), iii, S. 69f.; Evidence of Bartholomew Warburton, ebd.,
S. 23.
21 Dublin Evening Mail, 22. September 1854; Morning Chronicle, 20. September 1854.
Ein weiteres Beispiel bietet das Schreiben des Rev. E. Moore an William Kirkpatrick,
31. Juli 1852 (Kirkpatrick Papers, PRONI, D.1604 / 9).
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918