Seite - 244 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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244 Richard Hölzl
als »religiöse Gewalt« kenntlich zu machen und wie diese Deutung im kolo-
nialpolitischen Diskurs am Beginn des deutschen Kolonialismus wirksam
wurde. Das bedeutet nicht, dass ökonomische, politische oder andere Motiv-
lagen als »religiös« maskiert werden; vielmehr verfolge ich hier an einem Bei-
spiel die Perspektive, dass soziale Ereignisse mithilfe kommunikativer Arbeit
kodiert und dekodiert werden, um wieder sozial wirksam sein zu können9.
Im Folgenden werde ich zunächst die Konfliktlage an der ostafrikanischen
Küste um das Jahr 1888 rekonstruieren, insbesondere die sozialen Interakti-
onen der katholischen Mission, der lokalen Bevölkerung und der kolonialen
Eroberer, als die sich die Vertreter der DOAG gerierten. In weiteren Schritten
frage ich nach den medialen Transformationen der Gewaltereignisse in Mis-
sionsschriften und Zeitungsberichten sowie nach ihrer politischen Nutzung
in den Debatten im Deutschen Reichstag. In einem Fazit werden die weiter-
führenden Implikationen dieser Fallstudie für eine Geschichte »religiöser«
und kolonialer Gewalt sowie die Fragen nach der Rolle von Kommunikation
und der medialen Zirkulation von Gewalterfahrungen skizziert.
Mission vor Ort:
Benediktiner und Benediktinerinnen in Ostafrika 1888 / 89
Pater Joseph Amrhein, der die Kongregation der Missionsbenediktiner 1882
gründete und bis 1896 führte, war der Prototyp eines Träumers. Er setzte Zeit
seines Lebens keinen Fuß auf afrikanischen Boden, aber er entwickelte die
Idee zu einem deutschen, missionarischen Benediktinerzweig, der Ostafrika
bekehren und zivilisieren sollte. Amrhein inspirierte eine Gefolgschaft von
jungen Mönchen und Ordensschwestern10. Fünfzehn von ihnen, ein Priester,
neun Brüder – die meisten von ihnen Handwerker –, ein Katechist, und vier
Schwestern, machten sich im Herbst 1887 auf nach Ostafrika. Nur neun über-
lebten das erste Jahr im Missionsgebiet. Amrhein gab ihnen mit auf den Weg,
wie er sich die Missionsstation der Benediktiner vorstellte. Er fertigte eine
detaillierte Zeichnung darüber an (siehe Abbildung), die später zu einem Teil
der medialen Rahmung der Gewaltereignisse an der ostafrikanischen Küste
wurde11. Ich greife die Zeichnung auf, weil sie in paradigmatischer Weise die
9 Zu missionarischer Kommunikation, siehe auch Richard Hölzl, Imperiale Kommu-
nikationsarbeit. Zur medialen Rahmung von Mission im 19. und 20.
Jahrhundert, in:
Medien und Zeit 31 (2016), H. 2, S. 3–17.
10 Vgl. Frumentius Renner, Vom Missionshaus in Reichenbach zur Benediktinerkon-
gregation von St. Ottilien, in: Ders. (Hg), Der fünfarmige Leuchter. Beiträge zum
Werden und Wirken der Benediktinerkongregation von St. Ottilien, Bd. 1, St. Otti-
lien 1970, S. 1–336, hier S. 6–15.
11 Ich greife auf die in der Zeitschrift Die katholischen Missionen in Verbindung mit den
Berichten über die Zerstörung Pugus publizierte lithographierte Version zurück; Die
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918