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246 Richard Hölzl
kommunikativen Beziehungen zwischen Kolonie und Metropole repräsen-
tiert sowie die Vertauschungen, die typisch für diese Beziehung sind: In der
kolonialen Übersetzung der Gewaltereignisse wandelte sich der utopische
Entwurf des Missionsgründers zu einem vermeintlich realistischen Abbild
der Missionsstation, die von religiösen Gegner zerstört worden war.
Die Zeichnung lässt den Betrachter über eine tropische Wildnis andeu-
tende Busch- und Graslandschaft auf eine Missionsstation blicken. Die
rechtwinklige Aufstellung der Anlage suggeriert einen kultivierenden und
ordnenden Zugriff auf die Landschaft und ihre Bewohner. Während im Hin-
tergrund das Missionshaus mit integrierter Kapelle und moderatem Turm
die Szene rahmt, dominieren im Vordergrund links der Missionsgarten und
rechts das »Kinderasyl« die Darstellung. Beide Einheiten stehen gleichrangig
nebeneinander. Im Missionsgarten pflanzen zwei Mönche Bananenstauden.
Um die beiden durch einen Zaun getrennten Trakte des »Asyls« sind Kin-
der zu sehen, die von Missionsschwestern betreut werden. Im linken Hin-
tergrund schließlich befinden sich kleinere Gebäude, die in der Legende als
Waschhaus (mit einer afrikanischen Wäscherin), Hühnerhof, Werkstätten
und Ställe identifiziert werden.
Mit der symbolischen Ordnung dieser Zeichnung legte Amrhein zum
einen den benediktinischen Anspruch seiner Mission dar, sich in territoria-
len Abteilen zu organisieren, Land zu kultivieren und einen selbstversorgen-
den Betrieb zu führen, der eine monastische Gemeinschaft tragen konnte;
eine Gemeinschaft, die eines Chorgebets würdig war und sich niederließ, um
zu bleiben (stabilitas loci). Dieser Anspruch korrespondierte mit einer deut-
schen und kolonialen Zivilisierungsmission, wie Amrhein in seinen Reden
nicht müde wurde zu betonen: In der Zeichnung steht dem Holzkreuz vor
der Kapelle ein ebenso großer Fahnenmast mit Flagge des Deutschen Reichs
gegenüber. Der karitativen Ausrichtung wird durch das »Kinderasyl« Aus-
druck verliehen. »Asyl« – statt Schule oder Waisenhaus – verweist auf den
zeitgenössischen Antisklaverei-Kampf, dem sich auch die Missionsbenedik-
tiner in den 1880er Jahren verschrieben. Die Missionskonzeption beabsich-
tigte, Kinder auf der Missionsstation zu erziehen, zu taufen, sie zu verheira-
ten und dann in bäuerlich strukturierten Dörfern rund um das zukünftige
Kloster anzusiedeln12.
katholischen Missionen (1889), S.
80. Dazu gibt es eine weitere Version; Missionsblät-
ter AF 1 (1888 / 89), S. 424f.
12 Seine Konzeption legte er 1888 in den Missionsblättern dar: »[…] daß die St. Bene-
diktus Gesellschaft ausschließlich nur Deutsche aufnimmt, und
[…] das altbewährte
Missionssystem des Benediktinerordens, […] [das] ganz vorzüglich für ein Land
wie Afrika passt, das erst noch durch geduldige, beharrliche Arbeit vieler vereinter
Kräfte, die nur um Gottes willen arbeiten, kultiviert werden muss, und wo ein noch
wildes Volk auf dem Umweg des Jugendunterrichts, der Werke der Barmherzigkeit
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918