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253Missionare
als Opfer muslimischer Gewalt?
Die Bevölkerung […] ist recht mißtrauisch geworden durch die Haltung der Stations-
chefs, die sich einfach mit der Büchse in der Hand Gehorsam verschaffen. Sie meinen gut
gethan zu haben, da jetzt die Bevölkerung sie fürchtet; aber ich und wahrscheinlich jeder
Missionär wird es mißbilligen40.
Dass die Vertreter der DOAG im besten Fall mit dem autoritären Kasernen-
ton preußischer Offiziere, im schlimmsten Fall mit beleidigender Willkür
und exzessiver Gewalt vorgingen, bestätigten auch kritische Stimmen in
Sansibar, etwa der junge Hamburger Alexander O’ Swald, der das Handels-
haus seiner Familie auf Sansibar vertrat, oder der dortige deutsche Konsul
Gustav Michahelles41. Carl Peters, der Vorsitzende der DOAG, hatte ab 1885
sogenannte Schutzverträge mit lokalen Oberhäuptern auf dem Festland Tan-
sanias abgeschlossen. Eine tatsächlich territoriale Herrschaft entwickelte
sich daraus nicht, da die Erfassung des Gebiets kaum über gelegentliche
und oft schlecht organisierte Karawanenzüge hinausging. Die europäischen
Mächte Großbritannien und Deutschland übten zunehmend Druck auf den
Sultan von Sansibar aus, der 1888 schließlich die Verwaltung der ostafrika-
nischen Küste in Rechts-, Zoll- und Steuerfragen per Vertrag an die DOAG
abgab. Diese übernahm die Herrschaft im Namen des Sultans, indem sie ver-
suchte, die bisherigen Vertreter, meist Mitglieder der lokalen Eliten, abzuset-
zen und mit teils willkürlichen Gewaltmaßnahmen ein neues Verwaltungs-
und Abgabensystem zu etablieren. Insbesondere der DOAG-Vertreter Emil
von Zelewski richtete in der Küstenstadt Pangani »ein Terrorregime« ein,
nachdem er die örtliche Machtelite desavouiert und eine Moschee entweiht
hatte42. Eine Swahili-Quelle berichtet, der DOAG-Mann habe den Sultans-
vertreter in Pangani mit Hunden in einer Moschee gesucht, worauf Unruhen
ausbrachen43. Mit zunehmender Ausbreitung änderten diese Widerstände
ihren Charakter und es kam in einigen Teilen der Küstenregion zu einer
Abrechnung mit der Sultansherrschaft. Besonders in der Region Daressa-
lam blieben jedoch die Deutschen im Zentrum der Auseinandersetzung. Als
schließlich die vom Deutschen Reich beauftragte und finanzierte Koloni-
altruppe im Mai 1888 in Ostafrika eintraf, gingen durch unterschiedliche
Problemlagen motivierte Unruhen in einen Kolonialkrieg über, der nach der
Niederlage der Aufständischen nahtlos in die koloniale Eroberung des Fest-
landes mündete. Diese war bis zum Ende der 1890er Jahre abgeschlossen44.
40 Fleschutz, Tagereise, Sp. 405, Hervorhebung im Original.
41 Vgl. Schneppen, Sansibar, S. 250f.; Glassman, Feasts and Riots, S. 187f.
42 Vgl. Pesek, Koloniale Herrschaft, S. 184.
43 Vgl. Ann Biersteker, Kujibizana. Questions of Language and Power in Nineteenth-
and Twentieth-Century Poetry in Kiswahili, East Lansing 1996, S. 197.
44 Vgl. John Iliffe, A Modern History of Tanganyika, Cambridge u.a. 1979, S. 88–107.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918