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Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 296 -
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296 Mary Vincent Die integralistische Position: Politische Theologie und der Primat des Leidens Von Juan Donoso Cortés (1809–1853) stammt das Axiom, wonach »jede große politische Frage stets eine große theologische Frage in sich birgt«22. Diese Position steht beispielhaft für den Integralismus, der in scheinbar säkularen oder ideologischen Auseinandersetzungen lediglich Aspekte eines ewigen Widerstreits zwischen Gut und Böse sah, zwischen der Kirche, die sich des menschlichen Gehorsams bediente, und dem Satan, den man in der menschlichen Auflehnung am Werke sah. Die politischen Revolutio- nen waren demnach gar nicht politischen Ursprungs, vielmehr handelte es sich um Äußerungen eines eschatologischen Kampfes. Eine solche Deutung musste sich den Gläubigen auf Anhieb erschließen, betrachteten sie doch das Hineinragen des Übernatürlichen in die menschliche Alltagswelt als gege- ben. Ob es sich nun um spektakuläre Ereignisse wie die Marienerscheinun- gen von Lourdes (1858) handelte oder um die gewöhnlichen »Wunder«, aus denen sich die katholische Kultur von Schwüren, Gelübden und dem Umgang mit Heiligen speiste: In allen Äußerungen der göttlichen Macht bewies sich deren Immanenz23; Göttliches und Teuflisches konnten sich jederzeit in der Menschheitsgeschichte offenbaren. Im Treiben der Antiklerikalen erwies sich die andauernde Macht des Bösen  – eine weitere Schlacht, die es im ewi- gen Kampf zwischen Gut und Böse auszufechten galt. Politisch betrachtet lagen die Ursprünge des Integralismus in der Franzö- sischen Revolution, die auf ihre Gegner ebenso prägend wirkte wie auf ihre Sympathisanten. Unter den gegenrevolutionären Traditionen, die zu jener Zeit entstanden  – zuvörderst wäre der Konservatismus Burke’ scher Prä- gung zu nennen  – war auch jene, die gemeinhin als »theokratisch« bezeich- net wird. Unter diesen Begriff fallen sowohl die konservativen und insge- samt thomistischen Lehren von Louis de Bonald (1754–1840) wie auch der radikale Augustinismus von Joseph de Maistre (1753–1821). Beide Autoren waren der Überzeugung, dass die wesentlichen Fragen und Probleme ihrer Zeit  – wie jeder anderen  – im Grunde religiöser  – und nicht etwa sozialer oder politischer  – Natur seien. Allerdings gab es zwischen ihnen bedeutende Unterschiede, wie auch zwischen ihren Schülern Jaime Balmes i Upià (1810– 1848) und Donoso Cortés. Balmes, ein zum Priester geweihter Thomist, hielt ein gewisses Maß an Toleranz, also Freiheit der Religionsausübung, 22 Juan Donoso Cortés, Essay über den Katholizismus, den Liberalismus und den Sozialismus, übersetzt von Günter Maschke, Wien  u.a. 32007, S.  5. 23 Siehe auch Ruth Harris, Lourdes. Body and Spirit in the Secular Age, London 1999; zu persönlichen Begegnungen mit dem Göttlichen siehe auch William A. Christian, Person and God in a Spanish Valley, Princeton 1989.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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