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Vor 1918
Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 306 -
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306 Mary Vincent Topoi in den »Klostermärchen«  – Schauergeschichten, die in Form von Gro- schenromanen in jeder spanischen Stadt zu haben waren. Die Geschichten selbst waren schon seit Ende des 18.  Jahrhunderts beliebt. Ein  Jahrhundert antiklerikaler und antikatholischer Schundliteratur hatte Enge und Abge- schiedenheit des Klosters erotisiert; viel davon war schlichtweg pornogra- fischer Natur59. Billige Druckerzeugnisse etablierten das Frauenkloster als Gegenstand lüsterner Phantasien und bestimmten nicht nur, was dort zu finden war, sondern auch den männlichen Blick, der diese Geheimnisse schließlich offenbaren würde. Es ist kein Zufall, dass politische Agitatoren ihr Gefolge dazu aufriefen, »den Nonnen den Schleier zu lüften und sie zu Müttern zu machen«60. Sowohl die Schauergeschichten wie auch die antiklerikale politische Rhe- torik entmenschlichten Priester  – insbesondere Jesuiten  – und stellten den Klerus als perverse und geheimniskrämerische Sekte dar, die hinter den hohen Mauern der Klöster Verschwörungen nachging. Diese »Sekte« suchte sich ihre Opfer vorzugsweise unter leichtgläubigen Frauen, die anfällig waren für die emotionale Ansprache der Religion  – jedenfalls wenn man den »ratio- nalen« republikanischen Männern glaubte, denn der Diskurs des Antikle- rikalismus war in hohem Maße geschlechtsspezifisch61. Antiklerikale Ste- reotype, Karikaturen und Melodramen pflanzten sich in Gerüchten und Genreromanen fort und wurden schließlich zu Gemeinplätzen der linken Presse62. Durch Vertrautheit und Wiederholung setzte sich dieses antikleri- kale Imaginäre in den Köpfen fest. Es ist kein Zufall, dass ein Bühnenstück die Ausschreitungen von 1901 auslöste oder dass die Klostermärchen sozu- sagen die Blaupause für die Gewalt der »Tragischen Woche« bildeten. Noch auffälliger ist, wie Inventar und Innenräume der Klöster als »Beweise« verbrecherischen und unsittlichen Verhaltens dargestellt wurden63. Die 59 Vgl. Julie Peakman, Mighty Lewd Books. The Development of Pornography in Eight eenth-Century England, London 2003, S.  146–152, 158–160; Zubiaurre, Cultures of the Erotic, S.  217–219, 261–263, 289–293; siehe auch Manuel Revuelta Gonzalez, El anticlericalismo español en el s. XIX, in: Albert (Hg.), Religión y Sociedad, S.  155–178; José Luis Molina Martínez, Anticlericalismo y literature en el s. XIX, Murcia 1998. 60 So 1906 Alejandro Lerroux, zitiert nach José Alvarez Junco, El emperador del Paralelo. Lerroux y la demagogia populista, Madrid, 1990, S.  401–404. 61 Vgl. ebd., El emperador del Paralelo, S.  397–407; Mª Pilar Salomón Chéliz, Beatas sojuzgadas por el clero. La imagen de las mujeres en el discurso anticlerical en la España del primer tercio del s. XX, in: Feminismo / s 2 (2003), S.  41–58; siehe auch Manuel Delgado Ruíz, La mujer fanática. Matrifocalidad y anticlericalismo en España, in: La Ventana. Revista de Estudios de Género 1 (2015), H.  7, S.  77–119. 62 Die republikanische Presse, die sich der Religion gegenüber gleichgültig zeigen wollte, berichtete hier weitaus weniger als die sozialistischen und anarchistischen Blätter, die sich der Bekämpfung des »Aberglaubens« verschrieben hatten. (Für diese Analyse habe ich Herrn Dr. James Yeoman zu danken). 63 Vgl. Pedro Voltes, La Semana Trágica, Madrid 1995, S.  111f.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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