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312 Mary Vincent
Natur, wodurch der Gegner zu einer ungeheuerlichen Gewalt, die es auszu-
merzen gelte, homogenisiert wurde. Hier treten die Parallelen mit der von
René Girard formulierten Theorie zutage, der zufolge der Sündenbock ein
Element darstellt, das gewählt wird, um die Sünden einer Gesellschaft insge-
samt zu tragen und dadurch deren innere Spannungen abzubauen. Girards
Gedanken sind mit Absicht ahistorisch formuliert – es handelt sich schließ-
lich um einen Urmythos – und eine solche Geschichtslosigkeit findet sich
auch im frommen Schrifttum. Mögen die Heiligen auch in historischer Zeit
gelebt haben, enthalten ihre Lebensbilder doch ewige Wahrheiten und von
Gott selbst gesandte Offenbarungen. Eine gewaltsame Rhetorik, die sich auf
Opfer und Brandopfer stützte, konnte sich in der gegenrevolutionären Tradi-
tion Europas nicht nur behaupten, sondern trug auch wesentlich zu ihr bei.
Zwar blieb ihr Einfluss in Friedenszeiten begrenzt, doch wurde sie durch
gewaltsame Angriffe auf die Religion zu einer ernstzunehmenden Macht.
In Notlagen wurde der Ruf zum Schutz der Religion, mithin zum Kreuz-
zug, noch gehört. Mit dem Anfang der antiklerikalen Massaker im Juli 1936
wurde es unausweichlich, dass der Spanische Bürgerkrieg zum »Kreuzzug«
getauft wurde.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918