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Michael Snape
Katholiken, Militärdienst und Gewalt in Großbritannien
während des Ersten Weltkriegs
Von der Amerikanischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg hatte der
Militärdienst mitsamt seiner unvermeidlichen Gewalt für die seit jeher ver-
dächtige katholische Minderheit Großbritanniens eine politisch rettende, ja
erlösende Funktion1. Der Dienst an der Waffe war eine bedeutende Trieb-
feder der fortschreitenden Emanzipation der britischen Katholiken, sowohl
vor als auch nach dem 1829 verabschiedeten »Roman Catholic Relief Act«. Zu
jener Zeit war das ländlich-katholische Irland – einst als Brutstätte »papisti-
scher« und damit umstürzlerischer Umtriebe gefürchtet
– längst zum bedeu-
tendsten Gebiet der britischen Truppenaushebung geworden. Wenngleich
die Rekrutenbasis zum Ende des 19. Jahrhunderts hin stark anglisiert und
urbanisiert war, hatte die katholische Militärseelsorge einen festen Stand
im institutionellen Gefüge. Allerdings geriet dieser entscheidende Aspekt
der Versöhnung zwischen Katholizismus und britischem Staat während
des Ersten Weltkriegs in Gefahr – in einem Konflikt, der in der britischen
Geschichte die größte Konzentration tödlicher Gewalt hervorbrachte.
Im vorliegenden Beitrag soll gezeigt werden, wie die Vertreter des »Imperial
British Catholicism«2 einem wachsenden Antikatholizismus im Ansatz begeg-
nen wollten, indem sie Kampfesmut und Tapferkeit britischer Katholiken –
die wie ihre protestantischen Landsleute sich inmitten der größten Mobilma-
chung der britischen Geschichte befanden
– hervorhoben. Den Hintergrund
dieses Engagements bildeten der gigantische Bedarf der britischen Armee an
Rekruten, das Zögern von Katholiken in anderen Teilen des Empire sowie die
wenig hilfreichen Friedensinitiativen Papst Benedikts XV.3. Allerdings wird
auch gezeigt, wie differenziert katholische Einstellungen zu und Reaktionen
auf die Kriegsgewalt waren. Einmal an der Front angelangt, zeigten katho-
lische Soldaten kaum Anzeichen eines Bewusstseins, sich inmitten eines
1 Von 1801 bis 1922 bildete Irland einen festen Bestandteil des Vereinigten König-
reichs von Großbritannien und Irland.
2 Anonymus, Catholics of the British Empire and the War, London 1917, S. 3.
3 Vgl. Ian Beckett u.a., The British Army and the First World War, Cambridge 2017,
S. 96.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918