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316 Michael Snape
vorzuwerfen, »die Politik der Prophezeiung unterzuordnen«9. Ebenfalls 1915
erschien die Broschüre The Power Behind the Scenes in the Great War, die
gar behauptete, der Krieg sei »von der römisch katholischen Kirche geplant
[worden], um die protestantischen Nationen zu schwächen«10. Es konnte da
nicht ausbleiben, dass Organisationen wie die »Protestant Truth Society« ins
selbe Horn stießen. Die 1889 vom Agitator und Pseudo-Märtyrer John Ken-
sit gegründete Organisation, die sich insbesondere gegen »romanisierende«
Strömungen in der anglikanischen Kirche richtete, hatte bis Kriegsende eine
Reihe billiger war time publications herausgebracht, darunter Exposés mit
Titeln wie Rome and the War, Rome and Germany und Revolution and War.
In letzterer sollte »das heimliche Treiben der Jesuiten in Britannien« enthüllt
werden11. In dieser gefährlichen Zeit und angesichts der Polemik aus ver-
schiedenen Lagern, fielen katholische Apologeten erneut darauf zurück, das
Beispiel der katholischen Soldaten hochzuhalten, um den neuerlichen Vor-
würfen von Illoyalität und Falschheit entgegenzutreten.
Am meisten Sorge musste ihnen dabei das katholische Irland bereiten.
Aufgrund der Entvölkerung durch die große Hungersnot (1845–1849), des
Reizes der Auswanderung und der Agitation radikaler irischer Nationalisten
gegen den Militärdienst war die Zahl der Rekruten dort schon Jahrzehnte vor
dem Krieg rückläufig12. Allerdings hemmten auch kriegsspezifische Fakto-
ren die Anwerbung neuer Truppen. Ein Hindernis in dieser so stark von der
Kirche geprägten Gesellschaft war die Spaltung des irischen Klerus, dessen
Autorität in der Frage des Krieges weit über das rein Geistliche hinausging13.
Zwar riefen der Erzbischof von Tuam und der Bischof von Cloyne noch in
Fastenbriefen von 1916 zur Kriegsteilnahme auf 14, doch war solche Unter-
stützung nicht repräsentativ. Der Erzbischof von Dublin hintertrieb heimlich
die Aushebung in seiner Diözese, während der Bischof von Limerick, unter
dem Eindruck der Friedensdemarchen des Papstes und zunehmend auch sei-
ner eigenen Sympathie für den politischen Republikanismus, sich als ausge-
sprochener Kritiker des Krieges zu erkennen gab15.
9 Marion J. Bradshaw, The War and Religion, New York 1919, S. 61.
10 Ebd.
11 Baron Porcelli, The Pope and the War, London 1918.
12 Vgl. Edward M. Spiers, Army Organisation and Society in the Nineteenth Century,
in: Thomas Bartlett / Keith Jeffery (Hg.), A Military History of Ireland, Cam-
bridge 1996, S. 335–357, hier S. 337.
13 Vgl. Thomas P. Dooley, Irishmen or English Soldiers?, Liverpool 1995, S.
45; Jérôme
aan de Wiel, Catholic Ireland during the First World War, in: Botrugno (Hg.),
»Inutile Strage«, S. 159–186, hier S. 164–166.
14 Anonymus, Catholics of the British Empire, S. 68.
15 Vgl. Patrick Callan, Ambivalence towards the Saxon Shilling. The Attitudes of
the Catholic Church in Ireland towards Enlistment during the First World War, in:
Archivium Hibernicum 41 (1986), S. 99–111; Aan de Wiel, Catholic Ireland, S. 164.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918