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318 Michael Snape
Meldung zurückhaltend begegnet waren23, standen die Franko-Kanadier zur
1917 eingeführten Wehrpflicht in bitterer Gegnerschaft, die sich in Fahnen-
flucht ebenso Bahn brach wie in Ausschreitungen gegen die Rekrutierung
in der Stadt Québec24. In Australien, das bis Kriegsende keine Wehrpflicht
einführte, wurde rasch deutlich, dass Katholiken irischer Herkunft eine
solche Maßnahme weitaus weniger unterstützten als ihre protestantischen
Nachbarn25. Daniel Mannix, der in Irland geborene und als Querdenker
bekannte Erzbischof von Melbourne, wurde gar zu einer Gallionsfigur der
Wehrpflichtgegner26.
Auch auf dem britischen Festland war die Wehrpflicht nicht ohne
Schwierigkeiten durchzusetzen, wenngleich die Verweigerung aus Gewis-
sensgründen bezeichnenderweise nicht dazu gehörte. Die »Guild of the
Pope’ s Peace«, die sich nach Einführung der Wehrpflicht 1916 gründete27,
stieß auf wenig Resonanz in einer stark klerikal dominierten, von Lehren
des gerechten Krieges, Rerum Novarum und einem eigenen militärischen
und politischen Erbe geprägten Gemeinschaft28. Durchaus herablassend
äußerte sich im August 1916 die katholische Monatsschrift The Harvest
über die »Friedenskrämer«, die in der katholischen Kirche wenig zu mel-
den hätten: »Der Katholik schuldet dem Soldatenberuf stets seine Hochach-
tung und Zuneigung. […] Was hätte sich die selige Jungfrau von Orléans
wohl aus den Verweigerern gemacht, die sich auf ihr Gewissen berufen?«29
Viel heikler war indes die Rechtslage des katholischen Klerus. Auch wenn
Geistliche ohnehin nicht unter das Wehrdienstgesetz, den »Military Ser-
vice Act« vom Januar 1916, fielen – an sich schon eine umstrittene Aus-
nahme – stellte der Umstand, dass unverheiratete Laien und kinderlose
Witwer zuerst einberufen werden sollten, den britischen Klerus doch vor
unbequeme Fragen, zumal die französischen Amtsbrüder kein solches Pri-
vileg genossen. Um die negative Berichterstattung zu vermeiden, die im Falle
23 Vgl. Simon Jolivet, French-Speaking Catholics in Quebec and the First World War,
in: Heath, Canadian Churches, S. 75–101, hier S. 81–87.
24 Vgl. Robert Holland, »The British Empire and the Great War, 1914–1918, in: Judith
M. Brown / Wm. Roger Louis (Hg.), The Oxford History of the British Empire.
Bd. IV. The Twentieth Century, Oxford 1999, S. 114–137, hier S. 126.
25 Vgl. ebd., S. 125–128.
26 Vgl. McKernan, Australian, S. 120–123; James Griffin, Mannix, Daniel (1864–
1863), in: Australian Dictionary of Biography, URL: <http://adb.anu.edu.au/biogra-
phy/mannix-daniel-7478> (04.10.2018).
27 Vgl. Youssef Taouk, The Guild of the Pope’ s Peace. A British Peace Movement in the
First World War, in: Recusant History 29 (2008), H. 2, S. 252–271, hier S. 254.
28 Anonymus, Catholics of the British Empire, S. 6; vgl. Katherine Finlay, British
Catholic Identity during the First World War. The Challenge of Universality and
Particularity, Diss. Oxford 2004, S. 106.
29 The Harvest, August 1916, S. 143.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918