Seite - 323 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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323Katholiken
und Gewalt in Großbritannien
den auch der mitreißende Hymnus Faith of Our Fathers (1849) von Frederick
William Faber appellierte. Dieses ethno-religiöse Bewusstsein erfuhr an der
Westfront eine Schärfung. Im Dezember 1918 erklärte eine katholische Zeit-
schrift ihren Lesern: »Unter den vielen in Gefangenschaft gehaltenen Städten
Frankreichs freuten sich die Katholiken über die Errettung, aus den Händen
der Hunnen, von Douai, mit dem wir nunmehr seit 1568 verbunden sind,
dem Jahr, in dem Kardinal Allen dort das Englische Kolleg gründete«49.
Bezeichnenderweise wurde dies sogar in der säkularen Presse aufgegriffen.
Der Manchester Guardian, seiner Verwurzelung im Liberalismus und Non-
konformismus zum Trotz, bemerkte 1918, »[d]ie Einnahme Douais durch
die Briten […] wäre ein würdiges Andenken des 350. Jahrestages der Grün-
dung des berühmten Englischen Kollegs, […] welches während der zwei da-
rauffolgenden Jahrhunderte eine Anlaufstelle für die Katholiken Englands
werden sollte«50.
So wahrscheinlich es auch ist, dass der Kult der englischen Märtyrer mit-
samt seinen Botschaften von Opfer, Leiden, Vaterlandsliebe und Helden-
tum zur Stärkung der katholischen Identität und des Durchhaltevermögens
im Angesicht der Gewalt des Weltkriegs beigetragen hat, so war von einer
anderen Warte aus gesehen der typische britische Katholik bereits hervor-
ragend für das Militär geeignet. Die militärische Weisheit des viktoriani-
schen Zeitalters hatte die (loyalen) katholischen Iren als kriegerisches Volk
eingestuft, neben den Schotten des Hochlandes und den verschiedenen
»Kriegervölkern« Britisch-Indiens, sodass bereits eine starke Identifikation
katholischer Frömmigkeit mit Kampfesmut, Streitlust und Tapferkeit vorlag.
Dieses Thema spielte in Lyrik und Prosa Rudyard Kiplings eine hervorgeho-
bene Rolle, besonders in seiner Beschwörung der »Mavericks«, eines irischen
Regiments in Indien. Ebenfalls spiegelte es sich in der Gründung der Irischen
Garde, einem seit 1900 bestehenden Eliteregiment, das sich als »Paradigma
der alten Ordnung« verstehen ließ: »Offiziere aus der anglo-irischen Herr-
scherkaste, dazu eine Handvoll ergebener ›Hofkatholiken‹, standen anstän-
digen, aufrichtigen katholischen Bauernjungen vor«51.
Nicht nur, dass sie diese kulturelle Zuschreibung erbten, auch der weit
überwiegend städtische, industrielle und proletarische Charakter der katho-
lischen Gemeinden auf dem britischen Festland sorgte dafür, dass sie Män-
ner hervorbrachten, welche die Disziplin von Fabrik, Werft und Bergwerk
ebenso wie die damit einhergehenden körperlichen Belastungen gewohnt
49 The Harvest, Dezember 1918, S. 183. Der Verweis auf Douai ist auch deshalb inter-
essant, war doch das »English College« 1793 von den französischen Revolutionären
geschlossen und später nie wieder geöffnet worden.
50 Zitiert nach The Harvest, Dezember 1918, S. 183.
51 Vgl. Keith Jeffery, Ireland and the Great War, Cambridge 2000, S. 67.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918