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326 Michael Snape
Our Fathers, To Jesus’ Heart, all Burning von Aloys Schlör und das schwer-
mütige Hail, Queen of Heav’ n von John Lingard61.
So sehr auch die Herz-Jesu-Verehrung seit Mitte des 19. Jahrhunderts im
britischen und irischen Katholizismus an Zugkraft gewonnen hatte62, so
fehlten ihr doch die militant ultra-katholischen politischen Obertöne, die
ihr etwa in Frankreich oder Spanien eigen waren. Im Mai 1915 führte das
Regiment der »2nd Royal Munster Fusiliers« beim Angriff auf die Höhe von
Aubers eine mit dem Heiligsten Herzen geschmückte irische Trikolore mit63,
doch war eine solche Aneignung der französisch-katholischen und -royalis-
tischen Symbolik höchst selten. Es ist bezeichnend, dass in einer Vorzeige-
predigt, gehalten im Juli 1917 in der Kathedrale von St. Omer von William
Doyle, einem jesuitischen Militärgeistlichen, der sich sehr um die Moral der
größtenteils katholischen 16. (irischen) Division verdient gemacht hatte, der
Pater weder auf die Kreuzzüge noch auf eine andere Form militanter Fröm-
migkeit verwies, sondern auf die Irische Brigade, die im 18. Jahrhundert für
die Könige von Frankreich gekämpft hatte64. Zumal unter den katholischen
Soldaten im britischen Heer die Herz-Jesu-Verehrung wesentlich unpoliti-
scher Natur war und vor allem einem emotionalen Bedürfnis nach Trost und
Schutz diente65.
Nationale Unterschiede schlagen sich unvermeidlich auch in Vorlieben
für bestimmte Formen der Frömmigkeit nieder. So etwa im Falle des Kul-
tus der Jeanne d’ Arc, die 1431 von den Engländern auf dem Scheiterhaufen
verbrannt worden war. 1909 seliggesprochen, fand ihr Kultus selbst unter
den katholischen Soldaten kaum Anklang – was vielleicht verständlich ist –,
obschon sie bei den Amerikanern überaus beliebt war66. Tatsächlich gab
es – im Gegensatz zu Frankreich, wo der Kultus der Jungfrau von Orléans
während des Krieges einen Höhepunkt erreichte67 – keine Kriegerheiligen,
die unter den britischen Soldaten vergleichbare Verehrung genossen hätten.
Allerdings konnten gewisse Formen der Marienverehrung durchaus kriegeri-
sche Züge annehmen, so etwa 1917, als die 16. Division 250 Pfund sammelte,
um »Unserer Lieben Frau von den Siegen« ein Denkmal zu setzen68. Da der
heilige Georg mit England verbunden war, wo sein Kultus als verkommen,
mit Protestanten geteilt und von den englischen Märtyrern überschattet galt,
61 Casgrain, Catholic Soldiers, S. 57–63.
62 Vgl. Mary Heimann, Catholic Devotion in Victorian England, Oxford 1995, S. 151–
153; John Brennan, Irish Catholic Chaplains in the First World War, Magisterarbeit
(MPhil) Birmingham 2011, S. 19.
63 Vgl. Brennan, Irish Catholic, S. 52.
64 Alfred O’ Rahilly, Father William Doyle, S.J., London 1932, S. 522.
65 Vgl. Brennan, Irish Catholic, S. 79f., 91f., 103f.
66 Vgl. Becker, War and Faith, S. 82.
67 Vgl. ebd., S. 69, 79–82.
68 O’ Rahilly, Father William Doyle, S. 488f.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918