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330 Michael Snape
in gewöhnlichen Zeiten erwarten dürften – und für unsere Sünden Buße zu tun. Es
wäre doch allzu schade, wenn wir diese Gelegenheit verpassten. Wir müssen leiden,
wie die Dinge stehen; lasst uns also gut leiden79!
Zur Unterfütterung solcher Ratschläge waren die katholischen Geistlichen
mit andachtsvollen Geschichten zur Stelle. So schrieb ein katholischer Feld-
geistlicher aus Italien der Mutter eines tödlich verwundeten Soldaten, wie
»groß und erbaulich« dessen »Veranlagung zu Resignation und Gottesliebe«
seien: »Stets verband er seine Leiden mit der heiligen Passion unseres Herrn,
und dauernd sagte er: ›Dein Wille geschehe.‹ Die Schwestern meinten stets,
noch nie hätten sie einen Patienten erlebt, der so ruhig und sanftmütig war,
und sich dergestalt [seinem Schicksal] fügte«80. In einer besonders eindring-
lichen Schilderung beschrieb Williamson seine Seelsorge für den Gefreiten
Patrick Murphy aus dem Maschinengewehrkorps, der im September 1918
als Deserteur hingerichtet wurde. Williamson habe zu Schwester Thérèse
gebetet, sie möge »dem Knaben ihre besondere Fürsorge spenden und ihm in
dieser Stunde höchster Not Kraft und Tapferkeit zuteil werden lassen«. Diese
Gebete seien, so Williamson, erhört worden:
Mit großer Gefasstheit legte er die Beichte ab. Ich erteilte ihm die Absolution, und
dann, auf dem bloßen Steinboden kniend, empfing er unseren Herrn mit der innigsten
Hingabe. […] Das Bild versetzte einen beinahe in die Tage der Märtyrer zurück. […]
Der Tod des Knaben und sein schöner Mut beeindruckten uns alle, die wir dieser trau-
rigen Stunde beiwohnten, und sie bezeugten aufs Stärkste die Macht der katholischen
Religion in den schrecklichsten Umständen.
[…] Nie in meiner Erfahrung habe ich bei
einem Tod Beistand geleistet, der tröstlicher war oder in dem ich mir des Zustands der
Gott zustrebenden Seele sicherer gewesen wäre81.
Solche beispielhaften Tode unterstrichen einen wesentlichen Aspekt des
katholischen Heilsverständnisses sowie die Beruhigung, die es noch inmit-
ten von Gewalt und Wirren des modernen Krieges bot. Wie Casgrain
betonte: »Es gibt nur einen Weg in den Himmel, und der ist, im Stand der
Gnade zu sterben«82. Das hieß, »frei von Schuld der Todsünde« zu sein und
also imstande, als Katholik die heilige Kommunion zu empfangen, günstigs-
tenfalls nach einer »guten Beichte«83. Die sakramentalen Bedürfnisse des
79 Anonymus, For the Front. Prayers and Considerations for Catholic Soldiers, Market
Weighton 1918, S. 16f. Hervorhebung im Original.
80 The Harvest, Oktober 1918, S. 167.
81 Williamson, »Happy Days«, S. 158–160.
82 Casgrain, Catholic Soldiers, S. 9f.
83 Henry Gibson, Catechism Made Easy. Being a Familiar Explanation of the Cate-
chism of Christian Doctrine, London 1882, S. III, 74, 190.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918