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334 Michael Snape
Ihn traf eine Kugel und durchbohrte seine linke Hand, die in jenem Augenblick über
seinem Herzen lag. Die Kugel traf und zerschmetterte ein Abzeichen des Herzens Jesu,
welches in seinen Waffenrock eingenäht war, wurde abgelenkt und streifte über seine
Brust, die Haut aufreißend. […] Verwundet fiel er ins Wasser, wo er gut zwei Stunden
lag, indessen über ihm ein Gewitter von Kugeln und Granatsplittern wütete. Wäh-
rend um ihn herum zu allen Seiten seine Kameraden fielen, kam er mit einer leichten
Fleischwunde davon. Nun befindet er sich wieder in Irland und erklärt dort vor jeder-
mann seine tiefe Dankbarkeit gegenüber dem Herzen Jesu100.
Fazit
Der Erste Weltkrieg brachte neue Dynamiken in die Beziehung britischer
Katholiken zur Gewalt in Kriegszeiten. Da der Kriegsdienst sich als wesent-
licher Beitrag zur Rehabilitierung britischer Katholiken in einem historisch
protestantischen Staatswesen erwiesen hatte, kam dem Soldatenberuf eine –
wenn auch in Irland umstrittene – Sonderstellung in Erbe und Identität des
britischen Katholizismus zu. Die immense Gewalt und der beispiellose Bedarf
an Truppen, die mit dem Ersten Weltkrieg einhergingen, bedeuteten jedoch
eine schwere Belastung dieses Verhältnisses: Viele irische, franko-kanadi-
sche und australische Katholiken lehnten den Krieg ab
– und umso mehr die
Wehrpflicht –, während der Papst weithin als rückgratloser Neuraler oder,
schlimmer noch, Marionette der Mittelmächte dargestellt wurde. Inmitten
dieser Krise, und durch historische Beispiele ermutigt, konnten patriotische
britische Katholiken auf Loyalität und Heldenmut ihrer zur Fahne geeilten
Glaubensbrüder verweisen. Dennoch, und trotz der beachtlichen Resonanz
unter Katholiken auf dem britischen Festland auf die freiwillige Rekrutie-
rung der Jahre 1914 und 1915, fiele es gar zu leicht, das Verhältnis von Krieg,
Gewalt und Katholizismus im britischen Heer fehlzudeuten.
Zwar kamen die katholischen Kirchenoberen zu dem Schluss, dass es sich
um einen gerechten Krieg handelte, und legten den Gläubigen dementspre-
chend eine Teilnahme nahe, doch zeigten sie auf dem britischen Festland
keine Begeisterung für diesen Krieg, den sie im Grunde als Heimsuchung
verstanden. Ihrerseits waren die katholischen Soldaten durchaus nicht von
kreuzzüglerischer Rhetorik angestachelt, von heiliger Gewalt verführt oder
von der Verehrung Kriegerheiliger inspiriert. Von ihren Geistlichen wur-
den die katholischen Soldaten ermahnt, den Prinzipien des gerechten Kriegs
treu zu bleiben. Trost und Unterstützung versprachen eher Sühnetheologie
und der rapide an Verbreitung gewinnende Kultus der Thérèse von Lisieux.
Jedenfalls – und dies bestätigte ein beruhigendes katholisches Narrativ, das
100 Ebd., S. 271f.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918